Zistrose

Stand:
Prävention durch Nahrungsergänzungsmittel – das suggeriert manch Anbieter von Zistrosen-Produkten. Wo ist der Unterschied zu Tee? Was ist wichtig beim Einkauf?
Zistrosen Tee

Das Wichtigste in Kürze:Wirkung nicht bewiesen

  • Die lilafarben blühende Zistrose ist eine traditionelle Heilpflanze im Mittelmeerraum. Erlaubt ist die Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln, als Tee ist nach aktuellem Stand wohl eine Novel-Food-Zulassung erforderlich.
  • Nahrungsergänzungsmittel sind in ihren Inhaltsstoffen nicht zu vergleichen mit standardisierten Heilpflanzenauszügen in Medikamenten.
  • Aussagen mit Bezug auf Krankheiten, eine Stärkung des Immunsystems oder besondere antioxidative Fähigkeiten sind für Zistrose in Nahrungsergänzungsmitteln verboten.
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Was steckt hinter der Werbung zu Zistrose in Nahrungsergänzungsmitteln?

Nahrungsergänzungsmittel mit Zistrose (Cistus) werden häufig mit dem Versprechen einer Stärkung des Immunsystems "starke Abwehrkräfte" angeboten.

Zugelassene Werbeaussagen gibt es dafür jedoch nicht. Entsprechende Aussagen mancher Anbieter/Verkäufer werden vom Portal Lebensmittelklarheit kritisiert und gegebenenfalls von den Verbraucherzentralen abgemahnt, so z.B. bei diesem Teehaus. Wegen der fehlenden Werbemöglichkeit sind solchen Produkten häufig andere Mikronährstoffe zugesetzt, die das Immunsystem für eine normale Funktion benötigt, beispielsweise Vitamin C, Selen oder Zink. Die Werbeaussage bezieht sich dann nicht auf die Zistrose, sondern auf das zugesetzte Vitamin bzw. den Mineralstoff.

Immer wieder ist aber auch von einer "keimtötenden Wirkung gegen Bakterien, Pilze und Viren" (mit Bezug auf Grippeviren oder das Coronavirus SARS-CoV-2) die Rede, werden Erfolge bei Akne, Neurodermitis oder Mandelentzündung gepriesen und die Zistrose als wirkungsvolle Karies-, Parodontose- und Erkältungsprophylaxe dargestellt. Auch wenn es (teilweise) Studien dazu gibt, all diese Aussagen gelten nicht für Nahrungsergänzungsmittel. Denn diese dienen weder der Heilung noch der Linderung von Krankheiten, beides ist Aufgabe von Arzneimitteln. Deshalb werden Nahrungsergänzungsmittel auch nicht auf eine mögliche Wirksamkeit geprüft. Für eine antivirale Wirkungsweise des Lebensmittels / Nahrungsergänzungsmittels Zistrose gibt es keinerlei Belege.

Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hat die Studienlage zu der einzigen bisher beantragten, gesundheitsbezogenen Angabe (antioxidative Eigenschaften) für Cistus incanus (Hairy rockrose) bewertet und als nicht ausreichend bewiesen eingestuft. Entsprechende Werbeaussagen sind daher wegen Irreführung verboten. Verklausuliert wird trotzdem so geworben, beispielsweise mit Aussagen wie "mit den wertvollen Inhaltsstoffe der Zistrose. Sie ist ein reichhaltiger Polyphenol-Lieferant. Diese sekundären Pflanzenstoffe sind bekannt für ihren antioxidativen Effekt". Welcher konkrete ernährungsphysiologische Vorteil für Anwender daraus entstehen soll, bleibt unklar.

Exkurs: Cistus als pflanzliches Arzneimittel

Die Zistrose wurde vermutlich schon deutlich vor Christi Geburt im Mittelmeerraum als Heilmittel genutzt. Volkstümlich werden Zistrosenblätter und Zistrosenkraut innerlich bei Durchfall und Erkältungskrankheiten, äußerlich bei Hauterkrankungen wie z.B. Neurodermitis angewendet.

Cistus als traditionelles Arzneimittel enthält einen genau definierten Trockenextrakt aus Zistrosenkraut (4-9:1, Auszugsmittel: Wasser). Er ist in Lutschtabletten enthalten, die zur Linderung von Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum (Indikation) angewendet werden. Allerdings musste diese Wirkung, da es sich um ein traditionelles Arzneimittel handelt, nicht mit den für Medikamente vorgeschriebenen Zulassungsstudien nachgewiesen werden. Die Registrierung beruht ausschließlich aufgrund langjähriger Anwendung bei der angegebenen Indikation.

In Zell- und Tierstudien (nicht in Humanstudien) konnte ein antiviraler Effekt der enthaltenen Polyphenole gegen verschiedene Viren gezeigt werden. Die wenigen Humanstudien sind methodisch umstritten bzw. entsprechen nicht dem Goldstandard.

Außerdem ist getrocknetes, geschnittenes Zistrosenkraut (Cistus incanus herba) in der Apotheke erhältlich, z.B. zur Verwendung als Tee.

Auf was sollte ich bei der Verwendung von Zistrose-Produkten achten?

Als Nahrungsergänzungsmittel werden Produkte mit Zistrosen-Extrakt (Cistus-Kraut-Extrakt) – sowohl Lutschpastillen als auch Kapseln – von verschiedenen Herstellern angeboten. Dabei muss es sich um Zubereitungen von Cistus x incanus L. (ohne spezielle Sorte) handeln. Wichtig zu wissen ist, dass Extrakte bei Lebensmitteln, und Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, nicht miteinander vergleichbar sind. Ein Hersteller beispielsweise hat bei der EU für die von ihm verwendete Pflanze (Cistus incanus L. Pandalis) Sortenschutz beantragt und bis 2035 erhalten. Auf dieser Sorte basiert ein spezieller Extrakt (eingetragene Marke), der sowohl in einem Arzneimittel (s.o.), als auch in Medizinprodukten und in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten ist.

Mengenangaben wie „Cistuskraut-Extrakt 50 mg (entsprechend 32,5 mg Polyphenole)“ bieten aufgrund der angegebenen Polyphenolmenge zwar eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen den Produkten, da es aber keine Aufnahmeempfehlungen für sekundäre Pflanzenstoffe gibt, nützen sie nicht wirklich.

Wer überempfindlich auf Zistrosenkraut reagiert, sollte sicherheitshalber auf alle Arten Zistrosen-Produkte verzichten. Neben allergischen bzw. Überempfindlichkeitsreaktionen reagieren manche Menschen auch mit Magenschmerzen und Übelkeit.

Aufgrund des möglicherweise hohen Polyphenolgehaltes könnte es zu Wechselwirkungen mit Medikamenten kommen. Sicherheitshalber ist ein zeitlicher Abstand von mindestens einer Stunde angeraten. Informieren Sie Ihre Ärztin oder Arzt über die Verwendung.


In der Stoffliste des Bundes und der Länder Kategorie Pflanzen–Pflanzenteile von 2020 wird eine Beschränkung des Einsatzes von Cistus incanus L. in Lebensmitteln empfohlen (Einordnung in Liste B des Anhangs der Anreicherungs-Verordnung 1925/2007).

Streit um Neuartigkeit von Cistus-Tee

Zistrosen gelten in der EU laut Novel-Food-Katalog als neuartige Lebensmittel außer in Nahrungsergänzungsmitteln. Das bedeutet, dass Zistrosen-Zubereitungen aus oberirdischen Pflanzenteilen zwar in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen, in anderen Lebensmitteln aber nicht, es sei denn, es gibt eine gültige Novel-Food-Zulassung. Eine solche gibt es, aber nur für Kräutertee aus dem Kraut von Cistus incanus L. Pandalis (= getrocknete und geschnittene oberirdische Teile (junge Sprossen mit holzigen Teilen), einer Art aus der Familie der Cistaceae und im Mittelmeerraum auf der Halbinsel Chalkidiki beheimatet. – mit der Maßgabe, dass täglich nicht mehr als 3 g Kraut (2 Tassen pro Tag) verwendet werden.

Da andere Cistus-Arten in der Unionsliste für zugelassene neuartige Lebensmittel nicht aufgeführt sind, dürfen sie in oder als Lebensmittel nicht verkauft werden, es sei denn es lässt sich ein nennenswerter Verzehr vor dem in der Novel-Food-Verordnung festgelegten Stichtag (15. Mai 1997) belegen.

Nun gibt es aber für Cistuskraut (Cistus creticus, veraltet Cistus incanus) eine sehr langjährige Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel (Teegetränk) in Kreta und Griechenland. Darauf berufen sich viele Anbieter. Das gilt aber nur für die lilafarben blühenden Cistus-Arten, nicht für weißblühende.

Gemäß Artikel 3 Abs. 2a, Abschnitt iv) der Novel-Food-Verordnung (VO (EU) 2015/2283) handelt es sich nämlich nicht um ein neuartiges Lebensmittel, wenn es eine langjährige sichere Verwendung einer Pflanze gibt, und nur eine andere Sorte derselben Pflanzenart verwendet wird.

Bei den Überwachungsbehörden – die Auslegung der Gesetze ist Ländersache – gibt es hierzu leicht unterschiedliche Auffassungen, wobei die große Mehrheit der Befragten dazu tendiert, dass grundsätzlich für die Verwendung als Tee und in herkömmlichen Lebensmitteln eine Novel-Food-Zulassung nötig ist, eben weil es bereits eine Novel-Food-Zulassung für eine bestimmte Varietät gibt. Rechtssicherheit für Hersteller und Verbraucher:innen sieht anders aus.

Andere bieten –  um jedem Streit aus dem Weg zu gehen – ihre Produkte als Badetee oder Duft-Potpourri an. In diesem Fall dürfen keine Verzehrempfehlungen gegeben werden. Es handelt sich schließlich nicht um Lebensmittel, deren Verzehr sicher sein muss. Aus demselben Grund dürfen solche Produkte nicht als "Bio"-Ware verkauft werden.

Was ist Zistrose (Cistus incanus)?

Die Zistrosen sind stark verzweigte, buschige Sträucher, die vorwiegend im Mittelmeerraum wachsen. Es gibt etwa 24 verschiedene Arten. In Nahrungsergänzungsmitteln kommen die graubehaarte Zistrose (Cistus x incanus L.) und die kretische Zistrose (Cistus creticus) zum Einsatz. Die Stängel- und Blütenstiele der graubehaarten Cistrose sind dicht mit grauen "Haaren" besetzt. Die pink-lilafarbene Blüte ähnelt einer Hagebutten-Blüte, ist aber deutlich "knittriger". Die kleinen Blätter ähneln denen der Salbei-Pflanze.

Als wirksame Inhaltsstoffe gelten die natürlich enthaltenen Polyphenole (eine Gruppe von sekundären Pflanzenstoffen). Ein hoher Gehalt an verschiedenen Polyphenole ist auch in roten Trauben, Grüntee, GranatapfelAronia oder Ginkgo enthalten. Grundsätzlich enthalten nahezu alle Gemüse- und Obstsorten Polyphenole.

Können Cistus-Produkte mit problematischen Stoffen belastet sein?

Für eine Belastung mit problematischen Stoffen gibt es aktuell keine Anhaltspunkte. Wer besonders sicher sein möchte, greift auf Bio-Produkte zurück.

Eine Prüfung von Tees verschiedener Anbieter (12 davon als Cistus incanus gekennzeichnet) durch die Universität Wien in 2021  hat allerdings gezeigt, dass sieben dieser angeblichen Cistus-incanus-Tees (auch Bio-Ware) in Wirklichkeit von einer Cistus-Art mit weißen Blüten stammten. Das ist problematisch, da es für Cistus-Arten mit weißen Blüten (z. B. Cistus salviifolius, C. monspeliensis, C. ladanifer) keine Verwendungsgeschichte als Tee gibt, ein sicherer Verzehr somit nicht vorausgesetzt werden kann. Darüber hinaus handelt es sich natürlich um Irreführung. Inwieweit unzulässige Cistus-Varietäten auch in Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung finden, ist unbekannt, aber nicht unwahrscheinlich. Zwar ist der Hersteller für die Sicherheit seiner Produkte verantwortlich. Gerade bei Internethändlern ist dieser aber oft nicht greifbar, z.B. durch einen Firmensitz im Ausland. Bevor Sie bestellen, schauen Sie also genau hin, wo bzw. bei wem Sie kaufen.

 

Quellen:


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