Obst- und Gemüse-Extrakte sollen helfen, angebliche Versorgungslücken zu schließen. Empfehlenswert?
Was steckt hinter der Werbung zu Gemüse- und Obstextrakten?
Die Produktwerbung suggeriert häufig, dass selbst Menschen, die regelmäßig Gemüse und Obst essen, nicht ausreichend mit Vitaminen oder Mineralstoffen versorgt seien. Dabei wird gerne auf ausgelaugte Böden und geringere Nährstoffgehalte "als früher" verwiesen. Argumente wie "unsere modernen Lebensgewohnheiten" müssen dafür herhalten, dass es unmöglich sei, sich ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen. Doch diese Behauptungen sind nicht nur falsch, sondern auch verboten und dienen ausschließlich dazu, das Produkt besser zu verkaufen.
Auch die Mengen an Obst und Gemüse, die angeblich täglich gegessen werden sollen, sind oft maßlos übertrieben. Teilweise werden zwölf Portionen oder bis zu 2,5 kg Gemüse und Obst täglich genannt. Tatsächlich empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) fünf Handvoll Gemüse und Obst pro Tag (etwa 550 Gramm am Tag für einen Erwachsenen).
Aus zahlreichen wissenschaftlichen Studien geht hervor, dass sich das Risiko für Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzkrankheit, Adipositas und bestimmte Krebserkrankungen verringert, wenn Sie Gemüse und Obst verzehren. Hierbei wirken weniger einzelne Inhaltsstoffe, als vielmehr die Vielfalt wertvoller Substanzen in Obst und Gemüse, insbesondere Ballaststoffe.
Obst- und Gemüseextrakte beinhalten aber nicht alles, was auch in frischem Gemüse und Obst enthalten ist. Nur beim Verzehr der ganzen Frucht bzw. des Gemüses nehmen Sie tatsächlich auch das gesamte Spektrum an lebensnotwendigen und bioaktiven Substanzen auf. Eine Übertragung der in Studien beobachteten Wirkung von Obst und Gemüse auf Nahrungsergänzungsmittel ist somit nicht möglich.
Werbeaussagen zu Gesundheitswirkungen wie "gut für das Immunsystem" können sich auch nicht auf die Gemüse- oder Fruchtpulver bzw. -extrakte selbst beziehen, sondern lediglich auf einzelne, meist zugesetzte Vitamine und Mineralstoffe. Für das ganze Produkt sind gesundheits- oder gar krankheitsbezogene Werbeaussagen nicht bewiesen und nicht zugelassen.
Häufig liest man auch vom so genannten ORAC-Wert. Dieser soll die antioxidative Wirkung des Produktes zeigen. Es handelt sich jedoch um einen Laborwert, der keine Aussagekraft für eine Gesundheitswirkung beim Menschen hat. Eine solche Werbung ist irreführend und damit nicht zulässig.
Auf was sollte ich beim Einkauf und der Verwendung von Gemüse- und Obstextrakten achten?
- Mit dem Trend zu mehr Natürlichkeit sind diese Produkte in den letzten Jahren enorm gewachsen. Immer mehr Produkte drängen auf den Markt, auch in Bio-Qualität.
- Es gibt sehr unterschiedliche Produkte. Manche enthalten lediglich einzelne oder nur sehr wenige Gemüsesorten, beispielsweise Tomaten (Lykopin), Brokkoli, Knoblauch, Vitalpilze oder Grünkohl/Kale. Anderen sind zusätzlich Gras- oder Blattpulver bzw. Algen wie Spirulina zugesetzt. Vieles davon wird derzeit unter dem Begriff "Superfood" vermarktet. Neben Obst allgemein gibt es auch spezielle Beerenprodukte.
- Gemüse- und Obstextrakte können Zusatzstoffe oder Aromen enthalten. Die Zutatenliste auf dem Produkt liefert hierzu Informationen.
- Außerdem zeigt die Zutatenliste, ob die beworbenen Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt wurden - in diesem Fall wären sie gesondert aufgeführt - oder ob sie aus den verwendeten Früchten stammen. Außerdem muss noch zwischen zugesetzten natürlichen Vitaminen (z.B. Folat aus Zitronenschalenextrakt) und synthetischen Vitaminen wie Folsäure unterschieden werden. Sehr häufig enthalten derartige Gemüse- und Obst-Kapseln neben einer Vielzahl von Pflanzenpulvern zusätzlich synthetische, unter Umständen auch gentechnisch gewonnene Vitamine.
- Häufig werden sehr viele verschiedene, oft auch exotische Pflanzenextrakte verwendet. Das birgt ein hohes Allergierisiko. Bekannt sind solche Unverträglichkeitsreaktionen beispielsweise von Shiitake, Zimt, Chia oder Goji.
- Des Weiteren können Wechselwirkungen mit Medikamenten auftreten. Wer regelmäßig Medikamente einnimmt, sollte vorher im Arztgespräch oder in der Apotheke abklären, was bei einer zusätzlichen Verwendung von Obst- und Gemüseextrakten zu berücksichtigen ist und ob vielleicht auf einen zeitlichen Abstand bei der Einnahme geachtet werden muss.
- Obst- und Gemüseextrakte werden häufig von selbstständigen Direktvertreibern ("Beratern") verkauft. Hierbei werden Ihnen Produkte durch selbständige Handelsvertreter:innen in der Wohnung, am Arbeitsplatz oder über soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram & Co. angeboten. Gerade in dieser Vertriebsform wird immer wieder von unzulässigen krankheitsbezogenen Aussagen berichtet. Vor allem dann, wenn Ihnen aus dem Freundes-, Verwandten- oder Kollegenkreis heraus Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden, ist eine rationale Überlegung zur Notwendigkeit derartiger Produkte nur schwer möglich.
- Je nach Einkaufsort können Sie einen solchen Einkauf unter Umständen widerrufen. Alles zu Ihren Rechten lesen Sie in diesem Beitrag.
- Bei Bio-Produkten müssen sowohl der Hersteller (EU-Bio-Siegel mit Kontrollstellennummer auf dem Produkt) als auch der Verkäufer zertifiziert sein. Mehr zu den Kennzeichnungsregeln bei Bio-Nahrungsergänzungsmitteln erfahren Sie in diesem Beitrag.
- Werden Produkte mit regionalen Angaben zur Herkunft (etwa "aus Deutschland") beworben, muss seit dem 1. April 2020 das Herkunftsland der Hauptzutaten angegeben werden, sofern es von der Herkunftsangabe des Produkts abweicht. Als Hauptzutaten (oder Primärzutaten) gelten alle Zutaten, die mehr als 50 Prozent des Lebensmittels ausmachen, oder die Verbraucher:innen charakteristischerweise mit dem Produkt verbinden.
Tipp:
Fünf Portionen (je eine handvoll) Gemüse und Obst - roh oder gekocht - liefern nicht nur wertvolle Inhaltsstoffe, sondern bieten (optischen) Genuss, schmecken lecker und machen auch noch satt.
Da verschiedene Obst- und Gemüsesorten unterschiedliche Vitamine, Mineralstoffe und Pflanzenstoffe liefern, sollte die ganze Vielfalt des Angebots genutzt werden. Wir empfehlen Gemüse und Obst entsprechend der Saison und möglichst aus regionalem Anbau zu kaufen. Die Kosten dafür sind nicht höher als für Gemüse- und Obstextrakte.
Was sind Gemüse- und Obstextrakte?
Nahrungsergänzungsmittel mit "dem Besten aus Gemüse und Obst" enthalten meist eine bunte Mischung aus unterschiedlichsten Frucht- und Gemüse(saft)konzentraten bzw. -extrakten. Sie sind meist in Form von Pulvern, Presslingen, Flüssig-Konzentraten, Tabletten oder Kapseln erhältlich.
Häufig vertreten sind Konzentrate aus Karotten, rote Bete, Spinat, Tomaten, Apfel, Aronia, Orangen oder Küchenkräutern wie Kresse, Gartenfenchel, Rosmarin, Salbei oder auch Löwenzahn. Daneben finden aber auch exotische Produkte, wie zum Beispiel Pulver aus Algen, Papaya, Acerola, Cranberry, Maqui, Granatapfel oder Goji, Einsatz.
Durch verschiedene Verfahrensschritte wird dem Obst oder Gemüse das Wasser entzogen und einige Inhaltsstoffe aufkonzentriert sowie andere Stoffe entfernt. Die Zusammensetzung des Nahrungsergänzungsmittels unterscheidet sich somit deutlich von natürlichem Obst und Gemüse. Vor allem die Ballaststoffe fehlen meist. Es ist also nicht alles enthalten, was sich in vollreifem Obst und Gemüse befindet.
Nach Aussage der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, die in Form von Tabletten, Dragees oder Pulver eingenommen werden, für gesunde Menschen keine Alternative zu Gemüse und Obst und bieten keine Vorteile. Manchmal kann ihre Einnahme sogar nachteilig auf die Gesundheit wirken, wenn hoch dosierte Präparate über einen längeren Zeitraum eingenommen und zusätzlich mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Lebensmittel gegessen werden.
Welche Inhaltsstoffe sind in Gemüse- und Obstextrakten enthalten?
Die Hersteller machen in aller Regel keine Angaben dazu, welches Spektrum an sekundären Pflanzenstoffen und wie viel davon in den Produkten vorliegt. Generell können nicht alle sekundären Pflanzenstoffe aus einer Gemüsepflanze mit einer Extraktionsmethode gewonnen werden, da wasserlösliche Stoffe (wie Glucosinolate) andere Extraktionsverfahren benötigen als z.B. fettlösliche Carotinoide.
Weder die Aussage, ein Produkt sei "Obst- und Gemüsesaft in getrockneter Form" noch "alles aus Gemüse und Obst bleibt im Produkt" erhalten, sind richtig: Auch bei der Apfelsaft-Herstellung bleiben 80 Prozent der Flavonoide (sekundäre Pflanzenstoffe) im Apfeltrester, nur ca. 20 Prozent gelangen in den (klaren) Saft. Das heißt, schon ein Obst- oder Gemüsesaft enthält nicht das ganze Spektrum der Inhaltsstoffe der entsprechenden Frucht oder des Gemüses. Erst recht trifft dies nicht auf pulvrige Auszüge zu.
Für die ernährungsphysiologisch wirksamen Inhaltsstoffe solcher als Nahrungsergänzungsmittel angebotenen Gemüse- und Obstprodukte fehlt in aller Regel der Nachweis der Bioverfügbarkeit. Kenntnisse über die Bioverfügbarkeit sekundärer Pflanzenstoffe aus den Gemüse- und Obstprodukten sind aber unabdingbar, um die ernährungsphysiologische Qualität dieser Nahrungsergänzungsmittel bewerten zu können. Bisher liegen nur zu wenigen Produkten Informationen zur Bioverfügbarkeit der vorhandenen sekundären Pflanzenstoffe vor, die allerdings nicht immer aus kontrollierten Studien stammen und zum Teil gegenteilige Ergebnisse liefern.
Können Gemüse- und Obstextrakte mit Schadstoffen belastet sein?
Belastungen der verwendeten Rohware mit Pestiziden oder Schimmelpilztoxinen können sich auch in den Extrakten wiederfinden. Europäisches Gemüse und Obst ist in der Regel geringer belastet als solches aus anderen Teilen der Welt. Manche Hersteller geben an, nur Rohware aus eigenem bzw. Vertragsanbau zu nutzen - das ist aber keine Qualitätsaussage. Gleiches gilt für die Angabe "aus Wildwuchs". Bei Bioprodukten, zu denen unter bestimmten Bedingungen auch Wildsammlungen zählen können, gibt es strenge Anbauregeln und die Verwendung von Pestiziden ist in der Regel ausgeschlossen.
Hersteller sollten Aussagen zu Eigen- bzw. Fremdkontrollen machen können, bzw. nachweislich nach dem ISO 9001-Standard arbeiten. Die DIN EN ISO 9001 ist die im Qualitätsmanagement verbreitetste Norm. Sie legt die Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem fest. Es begleitet alle wesentlichen betrieblichen Prozesse und stellt diese auf den Prüfstand, u. a. um die Anforderungen der Kunden und die jeweiligen gesetzlichen und behördlichen Vorgaben zu erfüllen.