Erschreckende Bilanz bei EU-weiten Kontrollen des Online-Handels

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Behörden fanden bei Kontrollen im Internet viele hundert nicht verkehrsfähige Nahrungsergänzungsmittel – auf knapp 80 Prozent der geprüften Internetseiten. Eine weitere Untersuchung zeigt nun: Fast jeder dritte Shop in der EU weist manipulative Techniken auf. Influencer kennzeichnen Werbung nicht.
Online Shop

Das Wichtigste in Kürze:

  • Nahrungsergänzungsmittel dürfen nicht mit vorbeugenden, lindernden oder heilenden Wirkungen beworben werden.
  • EU-weite Kontrollen zeigten zahlreiche Verstöße mit unzulässigen Gesundheitsversprechen zu Knochen und Gelenken.
  • 55 Prozent der untersuchten Produktangebote enthielten nicht zugelassene neuartige Lebensmittel, darunter auch sehr gefährliche wie DNP.
  • Nahezu jede dritter Shop in der EU arbeitet mit unzulässigen manipulativen Praktiken.
  • Vier von fünf Influencer:innen kennzeichnen Werbung nicht.
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Probleme im Online-Handel

Die Produktgruppe Nahrungsergänzungsmittel hatte im Jahr 2020 einen Onlineanteil von über 30 %. Diesen sehr heterogenen Markt lebensmittelrechtlich zu kontrollieren, ist eine besondere Herausforderung.

Nach den gesetzlichen Vorgaben ist es verboten, Nahrungsergänzungsmittel mit vorbeugenden, lindernden oder heilenden Wirkungen zu bewerben. Denn auch wenn die Hersteller sie in arzneitypischer Aufmachung als Pillen, Kapseln oder Pulver anbieten, sind es Lebensmittel, die die normale Ernährung ergänzen sollen. Die Praxis zeigt allerdings ein anderes Bild. Gerade bei Nahrungsergänzungsmitteln häufen sich Hinweise und Beschwerden zu Internetshops und -marktplätzen. Auch der Marktcheck der Verbraucherzentralen zu Gelenkmitteln zeigte, dass insbesondere die Betreiber von Internetshops bei Gesundheitsversprechen negativ auffallen.

EU-weite Kontrolle des Online-Handels mit Nahrungsergänzungen

Im September 2017 fand europaweit die erste koordinierte amtliche Kontrolle von Lebensmittelangeboten im Internet ("eFood") statt. 25 EU-Mitgliedsstaaten sowie die Schweiz und Norwegen überprüften fast 1.100 Webseiten. Der Schwerpunkt der Untersuchung lag auf nicht zugelassenen neuartigen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln, die Anbieter mit unzulässigen Angaben zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Erkrankung bewarben. Die Behörden ermittelten insgesamt 779 Produktangebote, die nicht verkehrsfähig waren. Davon betrafen 428 nicht zugelassene neuartige Lebensmittel wie bspw. den angeblichen Appetithemmer Hoodia und 351 Nahrungsergänzungsmittel mit unzulässigen Gesundheitsversprechen zu Knochen und Gelenken.

Der Bericht der Europäischen Kommission kam zu dem Schluss, dass der Online-Handel mit Lebensmitteln stärker kontrolliert werden muss. Die Wahrscheinlichkeit Nahrungsergänzungsmittel im Internet zu finden, die nicht EU-rechtskonform sind, sei sehr hoch. Bereits im Rahmen der Aktion hat die Europäische Kommission eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Mitgliedstaaten bei den Kontrollen zu unterstützen, beispielsweise die Schulung von Mitarbeiter:innen der amtlichen Überwachung in Online-Untersuchungen. Aber: Bis heute (Januar 2023) können die deutschen Behörden trotz einer Gesetzesänderung immer noch keine verdeckten Internetproben ziehen .

ECommerce of Food 2019 International Conference on Trends and Official Control

Eine Folge der EU-weiten Untersuchung war 2019 diese große internationale Konferenz in Deutschland, veranstaltet vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz gemeinsam mit der EU-Kommission.

Hier wurde deutlich, dass der Online-Handel von Lebensmitteln zwar ein sehr großes Potenzial hat und neue vielfältige Möglichkeiten für Verbraucher:innen und Anbieter bietet, jedoch ebenso viele Herausforderungen schafft, zum Beispiel für Kontroll- und Aufsichtsbehörden in Hinblick auf gefährliche oder unzulässige Produkte. Die Digitalisierung, neue technische Möglichkeiten, Entwicklungen von mobilen Bezahlmöglichkeiten und Omnichannel-Nutzungsverhalten stellen in diesem Rahmen Treiber da, die neben dem rechtlichen Rahmen und dem globalen Handel im Blick behalten werden müssen.

Aus Verbrauchersicht bedeutet das aber auch, dass mehr gut geschultes und technisch optimal ausgestattetes Kontrollpersonal sowie Unrechtsgewinnabschöpfung benötigt wird, um diese zusätzlichen Aufgaben zu finanzieren. Und die zuständigen deutschen Ministerien sind aufgefordert, sich bei der EU dafür einzusetzen, dass nicht nur die Internethändler, sondern auch Verkaufsplattformen und Marktplätze bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht zur Verantwortung gezogen werden.

Eine weitere Aktion von 10 europäischen Ländern – OPSON XIII - zusammen mit Europol führte 2019 dazu, dass 75 Online-Verkaufsangebote für Schlankheitsmittel mit dem hochgefährlichen 2,4-Dinitrophenol-DNP vom Markt genommen wurden und mehr als 50.000 DNP-Kapseln am Markteintritt in die EU gehindert wurden.

Schon der EU-Jahresbericht 2018 zu Lebensmittelbetrug (Food Fraud) hatte gezeigt, dass vor allem Nahrungsergänzungsmittel immer wieder negativ auffallen. Sie gehörten zu den fünf Lebensmittelgruppen, bei denen am häufigsten Auffälligkeiten untersucht wurden. Die Verstöße betrafen vor allem Falschdeklaration (58 Prozent), Produktverfälschungen (19 Prozent) sowie fehlende oder gefälschte Dokumente (12 Prozent). Der Jahresbericht für 2020 zeigte sogar erneut eine leichte Steigerung.

In Deutschland wurden 2020 aufgrund von Warnmeldungen Recherchen im Onlinehandel zu Sportler-Nahrungsergänzungsmitteln durchgeführt. Dabei wurden ebenfalls zahlreiche risikobehaftete Angebote identifiziert, darunter viele Proben mit potentiell gesundheitsgefährdenden Stoffen wie DMAA.

Viele Shops manipulieren mit unzulässigen Praktiken

Die Europäische Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden haben 2022 die Websites von 399 Einzelhändlern (mit verschiedensten Angeboten) überprüft und bei diesem „Sweep“ manipulative Praktiken festgestellt. Auf 148 Websites fanden sich Beispiele für mindestens eine von drei manipulativen Praktiken ("dark patterns"), die gegen Verbraucherschutzregeln verstoßen, Schwächen von Verbraucher:innen ausnutzen oder sie täuschen.

  • 42 Websites verwendeten falsche Countdown-Zähler mit Fristen für den Kauf bestimmter Produkt.
  • 54 Websites drängten Verbraucher:innen zu bestimmten Entscheidungen (Abonnements, teurere Produkte oder Lieferoptionen), entweder durch die Gestaltung oder die Art der Ansprache.
  • Bei 70 Websites wurde festgestellt, dass sie wichtige Informationen verbergen oder so darstellen, dass sie für Verbraucher:innen nur schwer erkennbar sind (wie Angaben zu Lieferkosten oder zur Zusammensetzung der Produkte). 23 Websites verbargen Informationen mit dem Ziel, Verbraucher:innen zum Abschluss eines Abonnements zu bewegen.
  • Die Prüfung umfasste auch die Apps von 102 der geprüften Websites, von denen 27 ebenfalls mindestens eine der drei Arten von Dark Patterns aufwiesen.

Die nationalen Behörden werden sich nun mit den betroffenen Händlern in Verbindung setzen, damit diese ihre Websites verändern, und gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergreifen.

Tipp: Informieren Sie sich bei einem Besuch im Mustershop des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Vor dem Kauf: Konsultieren Sie unseren Fakeshop-Finder.

Influencer kennzeichnen selten Werbung

In einer EU-weit abgestimmten Untersuchung hat das Verbraucherschutz-Netzwerk CPC (Consumer Protection Cooperation Network) Social-Media-Profile von Influencer:innen überprüft. Die beteiligten Behörden und Verbände wollten wissen, ob Influencer-Werbung in sozialen Medien ausreichend als solche gekennzeichnet wird. Insgesamt hat das Verbraucherschutz-Netzwerk 576 Influencer:innen untersucht. Die Prüfung umfasste dabei Profile auf den großen Plattformen Instagram, TikTok, YouTube, Facebook, X (ehemals Twitter), Snapchat und Twitch. Von den untersuchten Influencer:innen hatten 82 über eine Million Follower, 301 bewegten sich zwischen 100.000 und einer Million Followern und 73 zwischen 5.000 und 100.000 Followern. Thematisch sind die überprüften Influencer:innen hauptsächlich in den Bereichen Mode, Lifestyle, Schönheit, Ernährung und Lebensmittel, Sport sowie Gaming aktiv.

  • 97 % der untersuchten Influencer:innen veröffentlichen regelmäßig Inhalte mit kommerziellem Hintergrund auf ihren Profilen. Doch nur etwa 20 % von ihnen kennzeichnen diese konsequent als Werbung. Den geschäftlichen Zweck einer Handlung zu verheimlichen, gilt nach der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken als Irreführung.
  • In 173 der überprüften Profile (30 %) war kein ausreichendes Impressum vorhanden.
  • 78 % der überprüften Influencer:innen übten eine gewerbliche Tätigkeit aus; jedoch waren nur 36 % auf nationaler Ebene als Händler registriert.
  • 40 % der Influencer:innen bewarben ihre eigenen Produkte, Dienstleistungen oder Marken, zwei Drittel davon (60 %) legten die Werbung nicht konsequent offen.
  • 44 % hatten eigene Websites, die Mehrzahl von ihnen konnte direkt über diese Sites verkaufen - so die EU-Kommission.

Verstärkte Kontrollen allein reichen nicht

Verbraucher:innen haben ein Recht auf sichere Lebensmittel. Um sie bei Nahrungsergänzungsmitteln besser vor Gesundheitsgefahren und Täuschung zu schützen, fordern die Verbraucherzentralen über verstärkte amtliche Kontrollen hinaus

  • Nahrungsergänzungsmittel vor dem ersten Inverkehrbringen auf ihre Sicherheit, die Kennzeichnung und die Werbeaussagen zu überprüfen.
  • ein öffentlich zugängliches Verzeichnis aller angezeigten Nahrungsergänzungsmittel.
  • die Einrichtung einer Meldestelle für unerwartete (Neben-) Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln.
  • Höchstmengenregelungen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln wie es sie in einigen EU-Ländern bereits gibt sowie
  • eine Positivliste für "sonstige Stoffe" wie Pflanzenzubereitungen (Botanicals) in Nahrungsergänzungsmitteln.

 

Mehr dazu:

Nahrungsergänzungsmittel und ihre Vertriebswege

Fake-Rezensionen in Onlineshops – Nahrungsergänzungen sind betroffen

Werbung mit Gesundheit - meist zu viel versprochen

Positionspapier der Verbraucherzentralen

FAQs Influencer-Marketing,  Bundesministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, Stand: 04.03.2024

 

Quellen:


Europäische Kommission (2024): Screening von Kommission/Verbraucherschutzbehörden: Influencer kennzeichnen selten Werbung. Stand: 14.02.2024

Umweltbundesamt (2024): Social Media: Vier von fünf Influencer*innen verstoßen gegen Kennzeichnungspflicht. Werbung oft nicht ausreichend gekennzeichnet. Stand: 14.02.2024

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2018): Online-Handel mit Lebensmitteln: Europaweite Aktion spürt rund 800 auffällige Webseiten auf. BVL koordinierte "eFood" für Deutschland, Stand: 23.02.2018 (abgerufen am 14.02.2024)

BVL (2019): eCommerce of Food 2019. International Conference on Trends and Official Control. 24.-26.06.2019. Alle Vorträge. (abgerufen am 14.02.2024)

EU-Kommission: Online offered food (2017) (abgerufen am 14.02.2024)

EU-Kommission: Die erste europaweite Kontrollaktion zu Lebensmittelangeboten aus dem Internet (The first EU coordinated control plan on online offered food products), Stand: 15.02.18 (abgerufen am 14.02.2024)

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2018): Stark, schlank, potent? – Augen auf beim Onlinekauf von Nahrungsergänzungsmitteln. BVL gibt Tipps zum sicheren Einkauf im Internet (abgerufen am 14.02.2024)

The EU Food Fraud Network and the System for Administrative Assistance - Food Fraud. Annual Report 2018, abgerufen am 14.02.2024

The EU Food Fraud Network and the System for Administrative Assistance - Food Fraud. Annual Report 2019, abgerufen am 14.02.2024

The EU Food Fraud Network and the System for Administrative Assistance - Food Fraud. Annual Report 2020, abgerufen am 14.02.2024

BVL: Onlinehandel braucht neue Regelungen. Stand: 24.03.2022 (abgerufen am 14.02.2024)

EU-Kommission: Verbraucherschutz: Manipulative Praktiken bei 148 von 399 untersuchten Online-Shops. Pressemitteilung vom 30.01.2023 (abgerufen am 14.02.2024)

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Davon betroffen sind zehntausende Verbraucher:innen. Für sie kann sich der Preisunterschied schnell auf hunderte von Euro summieren und existenzbedrohend sein.
Der vzbv hält das „Zweiklassensystem“ der GASAG für unrechtmäßig und will mit der eingereichten Musterfeststellungsklage den Betroffenen helfen.