Podcast: Pinkwashing - Konsum in Regenbogenfarben

Stand:
Öffentlich Flagge zeigen gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen ist längst mehr als politischer Aktivismus. Auch für große Unternehmen spielen Lifestyle-Produkte und Werbebotschaften mit Symbolen der LSBTIQ-Bewegung eine zunehmend wichtige Rolle.
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Darum geht es:

Was müssen Anbieter leisten, die mit Regenbogen- und "Pride"-Produkten Geld verdienen?

Die Vielfalt menschlicher Erfahrungen, Identitäten und Kulturen ist auch in den Marketingmaßnahmen und Produktsortimenten vieler Konzerne angekommen. Denn: Sichtbare Diversität ist gut für unsere Gesellschaft. Und sie verkauft sich gut. Aber stehen diese beiden Entwicklung im Widerspruch zueinander? Eine nicht ganz einfach und vor allem nicht eindeutig zu beantwortende Frage, wie unser Gespräch im Podcast zeigt. Denn werbliche Bilder, Botschaften und Produkte, die beispielsweise die allgemeine Wahrnehmung der queeren Community positiv beeinflussen, sind zweifellos ein erfreulicher Aspekt der Globalisierung. Aber wie können wir erkennen, ob die jeweiligen Anbieter dabei einzig und allein ihren finanziellen Vorteil im Sinn haben und ansonsten nichts für sexuell oder anderweitig diskriminierte Minderheiten tun? Denn das zählt gemeinhin als "Pinkwashing" und genießt keinen guten Ruf.

Diesmal zu Gast: Kerstin Thost von der Pressestelle des Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), und Oleh Vovk, Leiter der Pflegerechtsberatung bei der Verbraucherzentrale Berlin.

genau genommen - Der Podcast der Verbraucherzentralen wird gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags.

Wir freuen uns über Lob, Kritik und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de. Weitere Informationen finden Sie auf verbraucherzentrale.de.

 

Transkript

Ganze Folge zum Nachlesen

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Intro

Patrick Lohmeier:

[00:00:04] Wir sprechen heute bei genau genommen über [00:00:06] Pinkwashing und bevor ich gleich mit Kerstin Thost vom LSVD rede, habe ich mir einen Kollegen ins Studio geholt, um diese Folge anzumoderieren und es ist mein Kollege Oleh Vovk. Und ich habe ihn eingeladen, weil er auch ein ganz persönliches Engagement mit diesem Thema verbindet. Hallo, Oleh.

Oleh Vovk:

[00:00:21] Hallo und vielen Dank für die Einladung.

Patrick Lohmeier:

[00:00:23] Oleh, woher kommt's? Warum hast du gesagt, Pinkwashing, das müssen wir auch mal auf unsere Agenda nehmen als Verbraucherschutzthema?

Oleh Vovk:

[00:00:31] Ich denke, dass LSBTIQ eine wichtige Verbrauchergruppe ist, [00:00:37] die beachtet werden soll, deren Bedürfnisse sollen [00:00:42] integriert werden in den Verbraucherschutz. Und das ist vielleicht noch nicht so eine ganz bewusste Verbrauchergruppe, aber [00:00:52] wir glauben, dass wir auch diese Zielgruppe sensibilisieren sollen und sie zu einer bewussten Verbraucher- oder Verbraucherinnengruppe machen sollen.

Patrick Lohmeier:

[00:01:01] Und dein Engagement reicht ja auch noch weiter. Du bist nicht nur Leiter unserer Pflegerechtsberatung bei der Verbraucherzentrale Berlin, sondern engagierst dich ja auch VZn-intern für LSBTIQ-Belange.

Oleh Vovk:

[00:01:15] LSBTIQ and Friends heißt unsere Gruppe und die Gruppe habe ich gestartet mit dem Ziel, [00:01:22] unsere Kolleginnen und Kollegen für LSBTIQ-Themen zu sensibilisieren, weil wir [00:01:30] andere Themen anzusprechen haben. Wir müssen beachtet werden. Wir müssen richtig angesprochen werden. Wir müssen das richtige Pronomen verwenden, wenn wir uns vielleicht nicht [00:01:44] ganz als männlich oder weiblich bezeichnen, sondern nicht-binär, dass wir eine richtige Ansprache finden. Aber wir wollten uns auch politisch engagieren und deswegen wollten wir als [00:01:56] Gruppe auch bei der Zielgruppenarbeit mitwirken und die LSBTIQ-Verbraucher*innen mitnehmen und ihnen [00:02:05] bestimmte Themen zum überdenken geben oder bestimmte Themen für Sie vorbereiten und ihnen [00:02:13] weitere Informationen geben, wie sie sich beim Konsum als Verbraucherinnen und Verbraucher verhalten.

Patrick Lohmeier:

[00:02:22] Oh, Danke für die wirklich gute Überleitung. Das habe ich nach über zehn Jahren Podcastmoderation noch nicht so gut hinbekommen. Aber warum denn jetzt Pinkwashing, noch mal so als abschließende Frage für unser kleines Intro. Warum war dir das Thema so wichtig?

Oleh Vovk:

[00:02:35] Wenn ich an mich und an meine Freunde in der LSBTIQ-Gruppe denke, dann glaube ich, dass es für uns wichtig ist, nicht nur bei Geschäften [00:02:47] nicht diskriminiert zu werden, sondern auch, dass wir richtig erreicht werden und dass wir bewusstere Verbraucher*innen werden und wissen, wofür wir unser Geld ausgeben. Welche Unternehmen wir unterstützen. [00:02:58] [00:03:04] Und wem kann man vertrauen? Wer ist unser 'Ally' oder 'Friend', wie wir das in unserer Gruppe nennen, und wer nicht.

Patrick Lohmeier:

[00:03:13] Und darauf kommt es schließlich an. Auf Freunde und Freundinnen und Freunde jeden Geschlechts. Vielen Dank auf jeden Fall, Oleh, für deinen Beitrag und vielen Dank für die Impulse, die du hier reingebracht hast in die Produktion dieser Folge.

Interview mit Kerstin Thost (LSVD)

Patrick Lohmeier:

[00:03:35] Zum Thema Pinkwashing begrüße ich ganz herzlich Kerstin Thost vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland. Hallo, Kerstin Thost!

Kerstin Thost:

[00:03:41] Danke für die Einladung.

Patrick Lohmeier:

[00:03:42] Beantworten Sie doch bitte gerne vorab die Frage, für welche Menschen, welche Belange, setzt sich der LSVD ein.

Kerstin Thost:

[00:03:50] Der LSVD, den gibt's mittlerweile seit 33 Jahren, und er wurde [00:03:54] ursprünglich als Schwulenverband gegründet und dann später wurde es geöffnet und auch die Belange von Lesben in den Verband integriert und dann auch in den Namen. [00:04:05] Inzwischen setzen wir uns aber für alle Personen sozusagen unter dem Regenbogen ein, also für Lesben, Schwule, aber auch bisexuelle, Trans- und Interpersonen.

Patrick Lohmeier:

[00:04:16] Jetzt kann ich mir vorstellen, wenn ich mich in die Lage unserer Hörerinnen und Hörer versetzte, dass beim Thema Pinkwashing wahrscheinlich noch nicht überall die sprichwörtlichen Glühbirnen über den Köpfen der Menschen aufgehen. Deswegen erst einmal vielleicht überhaupt [00:04:28] zu einer Begriffserklärung: Wie ist denn der Begriff des Pinkwashing definiert? Von was reden wir hier?

Kerstin Thost:

[00:04:35] Ich bin jetzt keine Sprachwissenschaftlerin, aber ich kann sagen, dass der Begriff eine explizite Unternehmenskritik enthält. [00:04:44] Also der Vorwurf gegen Unternehmen von AktivistInnen ist, dass ein Unternehmen sich nur mittels beispielsweise Regenbogen [00:04:53] oder mittels anderer positive Äußerungen über die LSBTIQ-Community nur positiv darstellen möchte, [00:05:01] aber die Community in Wahrheit gar nicht unterstützt und auch die eigene Mitarbeitendenschaft vielleicht gar nicht über diese Themen aufklärt. [00:05:10] Das ist sozusagen ein Heucheln. Das Ganze heißt Pinkwashing, sozusagen korrelierend mit den Begriff des Greenwashing, den wir ja [00:05:20] aus der Klimabewegung kennen. [00:05:22] Und weil Pink eine Farbe ist, die schon länger mit der queeren Community verbunden wird. Das heißt, [00:05:30] das Handeln eines Unternehmens, die Außendarstellung, steht nicht mit den wahren Werten des Unternehmens und mit der Geschäftspraxis überein.

Patrick Lohmeier:

[00:05:40] Hat Ihr Verband dazu auch eine ausdrückliche Haltung? Gibt es Maßnahmen ihrerseits, mit denen sie direkt gegen solche Pinkwashing-Marketingmaßnahmen vorgehen?

Kerstin Thost:

[00:05:52] Also wir als LSVD sehen natürlich auch, dass sobald der 1. Juni kommt, alle Unternehmen ihre Logos auf den sozialen Netzwerken [00:06:04] auf Regenbogen ändern. Und dann kommen eben viele Aktivist*innen, die eben sagen: "Ihr betreibt Pinkwashing. Das ist nicht echt." [00:06:13] Für uns als Verband ist allerdings das Thema wahnsinnig komplex. Also man kann meistens gar nicht von außen, insbesondere nicht mittels einiger weniger Tweets, wirklich reinschauen in das Unternehmen und wirklich beurteilen, [00:06:28] wie echt ist dieses Mission Statement ist, wie echt dieser Regenbogen hier in dem Logo ist. [00:06:35] Wir sehen beide Seiten in der Community. Einerseits starke Kritik an dieser Unternehmenspraxis, aber eben auch gleichzeitig rufen uns Personen an, [00:06:45] die, wenn ihre Firma endlich mal [00:06:47] Regenbogenmontur auffährt, sozusagen, die dann sagen, dass sie sich das erste Mal wirklich auch als Individuum in Ihrem Unternehmen [00:06:56] willkommen gefühlt haben und das ist auch was wahnsinnig Positives bei den einzelnen Personen auslösen kann. Wir reden ja einerseits [00:07:06] von Pinkwashing und ein zweiter Begriff, den ich gerne noch mit erklären möchte, [00:07:12] der auch im aktivistischen Kontext weit verbreitet ist, ist der sogenannte Rainbow Capitalism. Damit wird das benannt, [00:07:20] wenn man Geld verdienen möchte mit Regenbogen.

Patrick Lohmeier:

[00:07:26] Dieses Pinkwashing oder Rainbow Capitalism - ich habe mich sofort auf Anhieb in den Begriff verliebt... sagen wir mal so. Wenn der Rainbow Capitalism sein wahres Gesicht zeigt und wirklich Unternehmen pünktlich zum 1. Juni, wie Sie gerade sagten, auf all ihre Turnschuhe Regenbogen-Motive draufpappen und auf T-Shirts "Pride" drucken lassen und eigentlich keine wirkliche Überzeugung, keine wirkliche Haltung und auch keine wirklichen gemeinnützigen Maßnahmen dahinter stehen, würden Sie das als Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher, die eben diese Produkte kaufen, bewerten? Wie ist Ihre Haltung dazu?

Kerstin Thost:

[00:07:58] Also ich möchte hier wirklich noch mal die Komplexität des Ganzen betonen. Wir sehen von außen selten, [00:08:05] wer die Regenbogenschuhe herstellt. Wir sehen nicht, ob eine offene, inklusive und wertschätzende Unternehmenskultur in den Unternehmen vorhanden ist. Wir sehen auch gar nicht: Werden [00:08:18] Personen in diesem Unternehmen explizit diskriminiert? Das ist sehr schwierig, da von außen einfach reinzuschauen. [00:08:26] Aber wir können sagen, es gibt natürlich Maßnahmen, die Unternehmen auch aktiv angehen können, [00:08:34] um sich diesem Vorwurf zu widersetzen oder eben, um wirklich der Community zu helfen. [00:08:40] Es wäre beispielsweise möglich, in dem Unternehmen Projektarbeit [00:08:45] zu finanzieren also z.B. Aufklärungsprojekte. Wir sehen, dass im Bundeshaushalt massive Kürzungen vorgenommen werden [00:08:53] und deshalb die Projektfinanzierungen für einige wichtige Projekte auch immer immer schwieriger werden mit der Zeit. Das heißt, Unternehmen könnten auch sagen: Mit diesen Regenbogenflaggen... das Geld, das ich damit verdiene, [00:09:05] das gebe ich auch wirklich an die Community zurück. [00:09:08] Gib den Menschen beispielsweise Räumlichkeiten, wo sie sich austauschen können. Bezahl beispielsweise Fachkräfte, [00:09:16] die hier psychologische Beratung durchführen bei Diskriminierungsmaßnahmen. Wichtig ist es einfach, [00:09:22] auch die anderen elf Monate im Jahr die Akzeptanz und die Rechte von LSBTIQ zu stärken. Von außen zu sehen: Hat dieses Unternehmen Diversity-Maßnahmen? [00:09:33] Das ist sehr, sehr schwierig und deshalb wird es sich dann natürlich in Twitter-Debatten sehr einfach gemacht [00:09:38] und gesagt: "Klar, das ist Pinkwashing! Das ist schlecht!" Aber Marketing besteht ja eben auch aus Versprechen und das Ziel von Unternehmen ist es natürlich auch, [00:09:52] Geld zu verdienen. Aber unternehmen können eben auch trotzdem [00:09:57] ihrer Verantwortung gerecht werden gegenüber ihren Mitarbeitenden, indem sie sich beispielsweise aktiv gegen Diskriminierung einsetzen, weil wir wissen, dass Diskriminierung auch die psychische und physische Gesundheit [00:10:11] von Personen negativ beeinflusst. Also hier haben auch Unternehmen als Teil der Gesellschaft die Möglichkeit, wirklich gegenzusteuern.

Patrick Lohmeier:

[00:10:22] Und ich glaube, ich bin mir auch der Komplexität des Themas oder einer möglichen Antwort auf meine Frage, ob da wirklich sowas besteht wie Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher - eben durch das Verkaufen solcher Produkte ohne echte Maßnahmen dahinter - bewusst. Also wie schwierig es ist, das zu beantworten, weil man eben, wie Sie schon richtig sagen, nicht hinter die Fassaden guckt. Aber wenn man denn eben als Unternehmen, als Konzern die Möglichkeit hat, etwas zu tun und das auch gerne mal ein bisschen öffentlich zur Schau stellt, kann man sich weitgehend von dem Vorwurf distanzieren, das alles eben nur aus wirtschaftlichen Gründen zu tun. Aus Gründen der Umsatzsteigerung.

Kerstin Thost:

[00:10:54] Ja, auch Unternehmen vertreten selbst sogar ideelle Werte und werden auch in der Politik als Player wahrgenommen und haben deshalb eigentlich auch die Möglichkeit, den Mund aufzumachen.

Patrick Lohmeier:

[00:11:08] Zurück zum Pinkwashing und den Unternehmen, die sich dessen schuldig machen, also einer mutmaßlichen Täuschung von Kundinnen und Kunden. Gab es da in der Vergangenheit Marken oder Konzerne Unternehmen, - fallen Ihnen da Beispiele ein? - die diesbezüglich besonders unangenehm aufgefallen sind?

Kerstin Thost:

[00:11:26] Also ich möchte hier ganz klar sagen, ich habe von keinem Unternehmen [00:11:31] die Unternehmenspraxis prüfen können. Ich kann mich hier nur auf öffentliche Quellen sozusagen verlassen. Wir sehen gerade in den USA ganz massiv, dass [00:11:42] Unternehmen, die Regenbogenartikel verkaufen oder die ihre Unternehmensdependancen mit Pride-Artikeln ausstatten [00:11:52] oder auch Unternehmen, die diverse Model in ihre Kampagnen einbeziehen, dass die ihr Engagement wieder zurückziehen. [00:12:01] Beispielsweise ging da ja schon durch die Presse die Biermarke Bud Light, die ein Transmodel engagiert hat und sich dann später wieder davon distanziert hat nach massivem Backlash und nachdem [00:12:15] Rechtsextreme oder transfeindliche Personen angefangen haben, auf ihre Bierkanister zu schießen [00:12:24] oder sie zu überfahren. [00:12:28] Wir haben aber auch Nachrichten gelesen über Starbucks, die sich wieder dagegen entschieden haben, Regenbogen-Dekoration in manchen US-amerikanischen [00:12:38] Filialen [00:12:40] aufzustellen oder die sogar wieder abzunehmen während des Pride Months. Und wir sehen auch Beispiele wie z.B. den großen [00:12:49] Hersteller für alle möglichen Gebrauchsgegenstände, Target, die wieder ihre Regenbogenkollektion oder einzelne Artikel davon auch wieder [00:12:58] zurückgezogen haben. Und gerade dieses [00:13:02] "Ich bringe einen Regenbogenartikel raus und ich entscheide mich jetzt hier aktiv dafür, ein Transmodel zu engagieren" und sich dann im Nachhinein wieder davon [00:13:12] zu distanzieren und Stimmen nachzugeben, die jetzt nicht damit klarkommen können, das mehr [00:13:20] Sichtbarkeit für LSBTIQ in der Vergangenheit endlich mal erreicht wurden, das ist natürlich [00:13:26] insbesondere kritisch zu sehen. Weil dieses Zurückrudern zeigt eben, [00:13:32] meine Werte, die ich versucht habe, zu propagieren und Geld verdienen-- ja da muss man sich halt irgendwann dazwischen entscheiden. Und sie haben sich halt dann wieder sozusagen zurückentschieden.

Patrick Lohmeier:

[00:13:45] Sie gucken gerade sehr viel in die USA und ich hier verstehe auch, dass Nordamerika immer so ein bisschen die Diskussionen in sozialen Netzwerken beherrscht. Aber gibt es auch Beispiele aus Deutschland für das, was Sie gerade beschreiben?

Kerstin Thost:

[00:13:55] In dieser Form des [00:13:57] sozusagen aktiv mit der Regenbogenflagge, mit dem Zaunpfahl winken und dann wieder zurückziehen, das haben wir jetzt in der vergangenen Zeit noch nicht beobachten können. Wir sehen allerdings Vorwürfe zum Beispiel gegen die Berliner Verkehrsgesellschaft, die sich als sehr divers darstellt [00:14:16] und wo dann nach dem Feuern oder dem Verlassen des Konzerns durch eine lesbische Managerin [00:14:23] dann auch noch weitere Vorwürfe von anderen angestellten Personen geäußert wurden, die sagen: [00:14:31] "Ich habe hier selber erlebt, dass es eigentlich eine homophobe oder eine diskriminierende Unternehmenskultur gibt und dass auch [00:14:40] aktive Diskriminierung passiert ist." Ja, das [00:14:45] hat auch insbesondere nochmal gezeigt, dass da irgendwie ein Bild und die interne Praxis nicht übereinstimmen.

Patrick Lohmeier:

[00:14:54] Jetzt wollen wir natürlich auch mal, wenn es denn möglich ist, auch auf ein paar Positivbeispiele gucken. Gibt es denn Unternehmen oder Marken, die Haltung beweisen, wenn es eben um LSBTIQ-spezifische Anliegen und Interessen geht. Was sind gute Beispiele für, [00:15:11] ich möchte mal sagen, Diversität in der Produktpalette oder im Angebot, die sich eben auch in den Unternehmenswerten widerspiegelt.

Kerstin Thost:

[00:15:18] Also ich bin natürlich nicht gesponsert von den einzelnen Unternehmen...

Patrick Lohmeier:

[00:15:24] Nein, das sind wir auch nicht. Das wissen aber auch alle, die uns zuhören. Dies ist ein Verbraucher:innenschutz-Podcast und nichts anderes. Ganz klar.

Kerstin Thost:

[00:15:31] Genau, also wir haben jetzt dieses Jahr selbst mitgearbeitet an einem [00:15:37] Positionspapier für Unternehmen, die das Selbstbestimmungsgesetz, also die rechtliche Selbstbestimmung von Trans-, Inter- und nichtbinären Menschen, unterstützen. [00:15:48] Und sechs verschiedene Unternehmen, darunter beispielsweise Ben and Jerry's, Ikea, Otto und Pfizer haben sich uns angeschlossen und haben gesagt: "Hey, es ist auch im Interesse unserer [00:15:59] Trans/Inter/nichtbinären Mitarbeitenden, wenn dieses Gesetzt endlich durchkommt. Und für uns ist es wirklich ein Thema [00:16:06] für die Gesundheit unserer Mitarbeitenden. Wir wollen da Flagge zeigen und wir wollen der Bundespolitik zu verstehen geben, dass wir das unterstützen." [00:16:16] Ben and Jerry's hat uns übrigens auch als LSVD unterstützt bei unserer Kampagne, wo es auf die Eheöffnung schrittweise zuging. [00:16:28] Die wurde in Deutschland ja 2017 geöffnet und dort hat Ben and Jerry's uns unterstützt, indem auch eine Kampagne gefahren wurde, [00:16:37] wo man die örtlichen Mitglieder im Bundestag sozusagen aus seinem eigenen Wahlkreis anschreiben und sagen konnte [00:16:46] "Ich schließe mich dieser Forderung nach der Ehe für alle an." [00:16:50] Das hat wahrscheinlich mit dazu beigetragen, dass in Deutschland inzwischen gleichgeschlechtliche Paare heiraten können. [00:16:57] Um noch einmal kurz auf US-Amerika zurückzukommen: Da sehen wir auch einem massiven Anstieg an [00:17:06] transfeindlichen, aber auch LSBTIQ-feindlichen Gesetzgebungen, insbesondere in vielen Südstaaten, worüber ja auch immer wieder im deutschsprachigen Raum berichtet wird. [00:17:17] Und mehrere Unternehmen haben auch da Haltung bewahrt. Disney hat angekündigt, sich aus Florida zurückzuziehen als Unternehmensstandort, [00:17:27] falls noch mehr transfeindliche Gesetze dort verabschiedet werden. Also Unternehmen haben auch die Möglichkeit, Haltung zu bewahren oder auch Haltung zeigen. [00:17:37] Und insbesondere ist es nicht nur wichtig, auch öffentlichkeitswirksam was zu tun, sondern auch Geld in die Hand zu nehmen, [00:17:45] um Mitarbeitende wirklich weiterzubilden und [00:17:48] eine Ansprechperson zu haben. Wo können sich die Personen hinwenden, wenn hier Diskriminierung passiert. Und da meine ich da eben alle Diskriminierungskategorien. Oder sie haben beispielsweise die Möglichkeit, [00:18:00] die Einnahmen von Regenbogenprodukten an Community-Beratungsstellen zu spenden, worauf ich eben schon zu sprechen gekommen bin.

Patrick Lohmeier:

[00:18:08] Vielen Dank! Das war ein wirklich interessanter Einblick in diese - wie Sie sagen - sehr komplexe Sachlage, in der sich nicht klar mit "Ja" oder "Nein" beantworten lässt, was man kaufen sollte. Ist das Regenbogenprodukt ein Gutes oder ein vermeintlich Schlechtes ohne eine echte Haltung dahinter? Aber gibt's denn sowas ganz Grundsätzliches, was sie Verbraucherinnen und Verbrauchern mit auf dem Weg geben würden, wenn sie das nächste mal beispielsweise vor einem "Pride" T-Shirt oder vor der Regenbogentasse im Geschäft stehen und sich überlegen: "Kann ich das kaufen oder an wen fließt da mein Geld gerade?"

Kerstin Thost:

[00:18:39] Natürlich kann man und muss man sich das überlegen, bei jedem Produkt, bezüglich vieler Aspekte. Was sind meine eigenen Werte, auch bezüglich Nachhaltigkeit und anderen Themen? [00:18:50] Die Unternehmen [00:18:52] haben Möglichkeiten, transparent zu machen, was mit dem "Pride-Geld", so nenne ich das mal, geschehen wird. Und wir haben die Möglichkeit, zu sagen, "Hey, [00:19:01] wir unterstützen dieses konkrete Anliegen. [00:19:05] Wir haben hier eine Community-basierte Sache, die wir mit dem Geld fördern." Und wenn die Unternehmen das machen, [00:19:13] dann kann man das sozusagen auch auf den Webseiten und so weiter sich darüber aktiv informieren. Gleichzeitig würde ich dazu aufrufen, dass wenn man den Vorwurf des [00:19:24] Pinkwashings erhebt, [00:19:26] es nicht nur bei öffentlichen Debatten zu belassen, sondern auch wirklich mit den Unternehmen selbst zu sprechen und auch da nachzufragen. [00:19:35] "Wie sind eure internen Guidelines? Wohin geht das Geld?" und so weiter. Also da kann man auch wirklich den Dialog suchen und z.B. auch Interessensvertretungen [00:19:44] oder andere [00:19:48] wichtige politische Interessensvertretungen vorschlagen, wo das Geld stattdessen hingehen kann.

Patrick Lohmeier:

[00:19:55] Danke, Kerstin Thost, für Ihre Expertise. Wir haben als kleine Podcastfolge über Pinkwashing angefangen und als große geendet über alle Aspekte des Rainbow Capitalism. Das war auf jeden Fall sehr augenöffnend, möchte ich mal sagen. Vielen herzlichen Dank!

 

Outro

Danke für Ihr Interesse an unserem heutigen Gespräch über hohe Lebensmittelpreise. Viele weitere Folgen von genau genommen können Sie in so gut wie allen Podcatchern und Audio Apps hören, wo Sie uns kostenlos abonnieren können. Wenn Sie uns bereits in einer App wie Spotify, Apple Podcast, Amazon Music oder Audible hören und Ihnen unser Format gefällt, bewerten Sie uns doch mit ein paar Sternchen. Darüber würde ich mich sehr freuen. Weitere Informationen und Tipps rund um Konsum und Ihre Verbraucherrechte finden Sie unter www.verbraucherzentrale.de. In ein paar Tagen gibt es eine neue Podcastfolge zu einem spannenden Thema. Bis dahin erreichen Sie mich für Feedback und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de. Dies war genau genommen – Der Podcast der Verbraucherzentralen, mein Name ist Patrick Lohmeier und freue mich aufs Wiederhören

 

Fragen und Kommentare können Sie gerne an podcast@vz-bln.de schicken!

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