Einfach ein paar spezielle Bakterien nehmen und die Verdauungsprobleme sind wie weg?
Was verspricht die Werbung?
Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit Mikroorganismen, meist spezielle Bakterienkulturen, sollen wahre Alleskönner sein: Die einen stärken angeblich die Abwehrkräfte, andere regulieren die Darmaktivität oder sollen bei Allergien helfen. Für wieder andere wird damit geworben, dass sie zusammen mit einer kalorienreduzierten Ernährung das Abnehmen erleichtern oder uns einfach mit "hochaktiven Darmsymbionten" bei Stress unterstützen. Oft suggeriert die Werbung auch nur, dass unser Darm "geschützt" werden muss - vor allem vor dem, was das Leben so mit sich bringt.
Als "Psychobiotika" werden Nahrungsergänzungsmittel mit Bakterien sogar zur Behandlung von Autismus-Spektrum-Störungen oder Depressionen angeboten - dabei sind Nahrungsergänzungsmittel einfach nur Lebensmittel und gar nicht zur Behandlung von Erkrankungen und Beschwerden vorgesehen. Das ist Aufgabe von behördlich auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüften Arzneimitteln, darunter auch solche mit Mikroorganismen.
Bisher gab es auch Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (auch ergänzende bilanzierte Diäten) beispielsweise zum Diätmanagement "bei Antibiotika-assoziierter Diarrhö (AAD)", "bei Reizdarmsyndrom", "Colitis Ulcerosa und Pouchitis (CU)", "atopischer Dermatitis (ATOP)" sowie "symptomatisch unkomplizierter Divertikelkrankheit (SUP)". Der Bundesgerichtshof hat im Juli 2023 jedoch festgestellt, dass Produkte, die natürlich im Darm lebende Bakterien enthalten, nicht Anforderungen an diese Produktgruppe erfüllen, wonach sie einen krankheitsbedingten, erhöhten oder spezifischer Nährstoffbedarf decken helfen sollen. Derartige Produkte dürfen mit solchen Krankheitsaussagen nicht mehr verkauft werden.
Für Nahrungsergänzungsmittel sind gesundheitsbezogene Werbeaussagen nur dann erlaubt, wenn sie von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft und zugelassen wurden. Krankheitsbezogene Werbeaussagen sind grundsätzlich verboten. In der EU ist derzeit nur eine einzige gesundheitsbezogene Werbeaussage für Lebensmittel mit Bakterien zugelassen: Lebende Joghurtkulturen in fermentierten Milchprodukten dürfen mit der Aussage
"Die Verdauung der im Produkt enthaltenen Lactose wird durch Lebendkulturen (Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus und Streptococcus thermophilus) in Joghurt oder fermentierter Milch bei Personen, die Probleme mit der Lactoseverdauung haben, verbessert"
beworben werden. Allerdings muss der Joghurt bzw. die fermentierte Milch dann mindestens 108 koloniebildende Einheiten dieser Kulturen pro Gramm enthalten.
Für Nahrungsergänzungsmittel mit speziellen lebenden Bakterienkulturen (früher: Probiotika) wurden bisher keinerlei Werbeaussagen durch die EFSA zugelassen. Solche Nahrungsergänzungsmittel mit dem Begriff "probiotisch" zu bewerben, ist ebenfalls unzulässig. Der Begriff gilt als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe, weil er aufgrund der jahrelangen Verwendung von Verbraucher:innen als "immunstärkend" verstanden wird - und genau dafür fehlen die wissenschaftlichen Belege. Häufig werben Hersteller damit, ihre Produkte seien "wissenschaftlich geprüft" - was völlig nichtssagend ist.
Übrigens: Eine Untersuchung des CVUA Karlsruhe hat gezeigt, dass 27 % der dort untersuchten Nahrungsergänzungsmittel mit Bakterienkulturen gar nicht die ausgelobte Menge an Bakterien enthielten.