Beim Sport werden im Muskel freie Radikale gebildet. Vitamine sollen helfen. Doch ein Zuviel schadet eher.
Was steckt hinter der Werbung zu Vitaminen für Sportler?
„Sportler-Vitamine unterstützen Höchstleistungen“, „können Verletzungen vorbeugen und die Regeneration beschleunigen“ – so verspricht es die Werbung für sogenannte „Sportler-Vitamine". Und wer möchte schon dieses Risiko eingehen: „Bei körperlich Aktiven läuft der Stoffwechsel auf Hochtouren und der Körper verbraucht wichtige Vitamine“.
Aber auch wenn häufig anderes behauptet wird: Als sportlicher Mensch müssen Sie nicht befürchten, einen Vitaminmangel zu erleiden oder von sogenannten freien Radikalen überschwemmt zu werden. Der Bedarf an Vitaminen, die am Energiestoffwechsel beteiligt sind, kann bei steigendem Energiebedarf durch körperliche Aktivitäten zunehmen. Zu den Vitaminen, auf die das zutrifft, gehören Vitamin B1, Vitamin B2 und Niacin (Vitamin B3). Da Sie aber wahrscheinlich mehr essen, um Ihren höheren Energiebedarf zu decken, ist ein Mangel unwahrscheinlich.
Schwierig wird es nur bei den Sportarten mit einer starken Gewichtskontrolle wie beispielsweise Geräteturnen, Klettern oder auch Kampfsportarten in den unteren Gewichtsklassen. Hier ist eine Ernährungsberatung hilfreich.
Eine Ergänzung mit Vitaminen kann nur eine Leistungssteigerung bewirken, wenn ein Mangel vorliegt. Ansonsten sind keine positiven Effekte belegt, auch nicht für die Vitamine C und E oder das Provitamin Beta-Carotin, obwohl sie immer wieder beworben werden. Kontrollierte Studien konnten weder eine Erhöhung der muskulären Leistungsfähigkeit noch eine verringerte Muskelstressreaktion nach Einnahme dieser antioxidativen Substanzen nachweisen. In einer Metaanalyse von 2024 wurde die Auswirkungen einer Vitamin-E-Supplementierung auf oxidativen Stress, Entzündungsreaktionen, Muskelschäden, Muskelkater und Kraft bei gesunden Erwachsenen nach dem Training überprüft. Die Wissenschaftler:innen kamen zu dem Schluss, dass angesichts der mangelnden Wirksamkeit bei den analysierten Variablen eine Supplementierung mit Vitamin E nach einer Trainingseinheit, um den Erholungsprozess bei gesunden Personen nach dem Training zu unterstützen, nicht empfohlen werden sollte.
Wasserlösliche Vitamine gehen kaum über den Schweiß verloren, auch das wasserlösliche Vitamin B6 nicht. Kraftsportler:innen, die große Mengen Eiweiß zusätzlich aufnehmen, könnten theoretisch mit den Vitaminen A, C, E und B6 schlechter versorgt sein. Mit einer ausgewogenen Ernährung können Sie diesem Effekt aber ebenfalls wirkungsvoll begegnen.
Nach den Ergebnissen einer Studie mit Ausdauersportler:innen bremst die Einnahme von Antioxidantien (Vitamin C und E) die Verbesserung der muskulären Ausdauer durch Sport aus. Es könnte also sein, dass beide Vitamine, isoliert eingenommen, Trainingseffekte zunichtemachen.
Aufgrund der Funktionen von Vitamin D im Knochenstoffwechsel sowie zahlreichen anderen Effekten, z. B. in der Skelettmuskulatur, ist eine optimale Vitamin-D-Versorgung für Sportler:innen essenziell. Derzeit ist aber nicht klar, ob Nahrungsergänzungen mit Vitamin D die sportliche Leistung erhöhen können. Eine aktuelle dänische Übersichtsarbeit und Metaanalyse zu Studien an Nicht-Sportler:innen hat gerade gezeigt, dass zusätzliches Vitamin D keinen positiven Einfluss auf die Muskelgesundheit bzw. die Muskelstärke hat. Zumindest scheinen laut anderer Studien aber Sporttreibende, bei denen ein Mangel an Vitamin D vorliegt, von einer Vitamin-D-Supplementierung zu profitieren (wie Nicht-Sportler:innen bei einem Mangel auch). Da die Zufuhr über die Nahrung aber nur etwa zehn Prozent des Bedarfs deckt, können Sportler:innen mit einer unzureichenden Vitamin-D-Aufnahme mit der Nahrung immer noch eine gute Vitamin-D-Versorgung haben, wenn sie sich tagsüber ausreichend im Freien aufhalten, z. B. während des Trainings. Für Sportler:innen, die Hallensportarten betreiben, ist dies schwieriger, aber möglich.
Als Sporttreibende können Sie, genauso wie Nichtsportler:innen, im Winter geringer mit Vitamin D versorgt sein, da weniger davon in der Haut gebildet wird. In dieser Zeit greift der Körper auf die durch Frühjahrs- und Sommersonne hoffentlich gut gefüllten Vitamin-D-Speicher im Fett- und Muskelgewebe sowie in der Leber zurück. Dieser Vorrat reicht normalerweise, um ohne Mangelerscheinungen durch den Winter zu kommen.
Vegan lebende Sportler:innen können, ebenso wie vegan lebende Nichtsporttreibende, zu wenig Vitamin B12 bekommen. Da es für eine „normale Funktion des Energiestoffwechsels“ und eine „normale Funktion des Nervensystems“ wichtig ist und auch so beworben werden kann, sollten Sie sich beraten lassen, wie Sie Ihren Bedarf ausreichend decken können.
Auf was sollte ich bei der Verwendung von Sportler-Vitaminen achten?
Viele Lebensmittel inklusive Sportlerlebensmittel sind mit Vitaminen angereichert. Essen Sie diese Lebensmittel und zusätzlich Nahrungsergänzungsmittel, kann schnell eine Tagesmenge erreicht werden, die den Tolerable Upper Intake Level überschreitet. Es handelt sich dabei um die Menge, bei der negative Effekte auf die Gesundheit und damit auf die sportliche Leistungsfähigkeit nicht mehr ausgeschlossen werden können.
Nach derzeitigem Kenntnisstand ist Sportler:innen eine ausgewogene, antioxidanzienreiche Lebensmittelauswahl anzuraten, so dass diese die DGE/ÖGE-Referenzwerte für Vitamin C, Vitamin E und β-Carotin sicher erreichen. Sollten Sie sich aus individuellen Gründen für Nahrungsergänzungen mit Antioxidanzien entscheiden, sollten Sie damit Tageshöchstmengen von 30 mg Vitamin E und 250 mg Vitamin C nicht überschreiten.
Zu viele antioxidative Vitamine können eher schaden als nützen. Freie Radikale (engl.: RONS – reactive oxygen and nitrogen species) sind nicht nur einfache "Nebenprodukte" im Körper, sondern wichtige Signalmoleküle. So kann z.B. hochdosiertes Vitamin C solche Signalwege behindern, die Anpassungsmechanismen und teilweise sogar die Leistungsfähigkeit und den Trainingseffekt beeinträchtigen. Studien der Sporthochschule Oslo zeigen, dass Vorsicht geboten ist. So wurde bei Kraftsportlern, die die Vitamine C und E einnahmen, beobachtet, dass sich der Muskelzellstoffwechsel veränderte und die Anpassung an das Krafttraining im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Vitamineinnahme schlechter verlief.
Bei hochdosierten Vitamin-D-Tabletten kommt es immer wieder zu Vergiftungserscheinungen. Mit einem langen Sonnenbad kann Ihnen das nicht passieren. Bis heute wurden auf EU-Ebene keine verbindlichen Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe festgelegt. Aktuell wird allerdings an der Erarbeitung europaweiter Höchstmengen gearbeitet, was die Verbraucherzentralen begrüßen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat deshalb Vorschläge für Höchstmengen in Nahrungsergänzungsmitteln erarbeitet. Produkte, die diese Empfehlungen einhalten und entsprechend den Herstelleranweisungen eingenommen werden, sind für Personen ab 15 Jahren sicher.
Das BfR empfiehlt eine Tageshöchstmenge von 20 µg Vitamin D (= 800 i.E.) in Nahrungsergänzungsmitteln. Bei Vitamin B6 empfiehlt das BfR eine Höchstmenge von 0,9 Milligramm (mg) pro Tagesverzehrempfehlung eines Supplements.
Vitamin-B6-Präparate aus dem Internet liefern aber manchmal mehr als 3.000 % des Tagesbedarfs (der bei Männern bei 1,6 mg liegt), wie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 2015 festgestellt hat. Schon Mengen von über 25 mg pro Tag werden als nicht sicher eingeschätzt.
Wer unbedingt Vitamintabletten schlucken möchte, sollte darauf achten , dass die Tagesdosis der Inhaltsstoffe nicht über diesen Höchstmengenempfehlungen liegt. Das empfiehlt auch die Arbeitsgruppe Sporternährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Achtung: Auch wenn Vitamin-Infusionen eigentlich nichts mit Nahrungsergänzung zu tun haben, werden sie doch für Selbstzahler in diversen Praxen zur schnellen Regeneration etc. (Drip-Spa) angeboten. Jegliche Infusion, die mehr als 100 ml binnen 12 Stunden beträgt, gilt im Sinne der WADA-Regeln als Doping.