Kieferorthopädie bei Kindern - ein teurer Spaß

Stand:
Kinder sind ihren Eltern lieb und teuer. Deshalb sind viele bereit, Zusatzkosten für die Zahnspange zu tragen. 2017 haben die Verbraucherzentralen 145 Eltern gefragt, ob sie sich gut über Privatleistungen bei der kieferorthopädischen Behandlung ihrer Kinder aufgeklärt fühlen.

Lächelndes Mädchen mit lila Brille und Zahnspange

Das Wichtigste in Kürze:

  • Über 80 Prozent der befragten Eltern werden teure Zusatzleistungen angeboten. Die meisten Leistungen summieren sich schnell auf 500 bis 2.000 Euro.
  • Kieferorthopäd:innen stellen kostenpflichtige Leistungen häufig besonders positiv dar. Eltern fühlen sich gedrängt, einer teuren Behandlung zuzustimmen.
  • Während privatärztliche Leistungen besonders angepriesen werden, ist die Aufklärung über eine kostenfreie Behandlung bei medizinischer Notwendigkeit oft nur unzureichend.
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Wann gehen Eltern mit ihrem Nachwuchs zur Kieferorthopädin oder zum Kieferorthopäden?

Der Erstkontakt zur Kieferorthopädin oder zum Kieferorthopäden findet in zwei von drei Fällen auf explizites Anraten der Zahnärztin oder des Zahnarztes statt. Bemerkenswert: Immerhin 34 Prozent aller Eltern vereinbaren einen solchen Termin selbstständig ohne den Weg über die Hauszahnärztin oder den Hauszahnarzt.

Aus Sicht der Eltern führten in 60 Prozent der Fälle ästhetische Gründe zu einem Ersttermin. Das heißt, die Kinder haben keine Schmerzen oder Probleme beim Sprechen/Kauen/Beißen/Atmen, sondern ihr Gebiss könnte einfach schöner aussehen, wie zum Beispiel ohne schiefe Zähne, Lücken oder vorstehende Zähne.

Die Kieferorthopädin oder der Kieferorthopäde kann dies besser beurteilen. Sie oder er teilt die Zahnfehlstellungen der Kinder in fünf Schweregrade ein, die sogenannten Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG). Was die meisten Eltern nicht wissen: Eine Spangen-Behandlung wird von der Krankenkasse nur als medizinisch notwendig angesehen und die Kosten vollständig übernommen, wenn erhebliche Beeinträchtigungen vorliegen (KIG 3, 4 und 5).

Warum willigen Eltern in Zusatzleistungen ein?

Ein weiteres Ergebnis unserer Umfrage: Über 80 Prozent der Eltern wurden private Zusatzleistungen angeboten. Dabei wurden mehr als der Hälfte der Eltern Leistungen zwischen 500 Euro und 2.000 Euro als sinnvoll empfohlen, insbesondere hochelastische Bögen und spezielle Brackets. Wichtig für die Entscheidung zu einer Zusatzleistung ist die positive Darstellung und Empfehlung durch die Kieferorthopädin oder den Kieferorthopäden. 55 Prozent der Eltern antworteten, dass ihnen die kostenpflichtigen Privatleistungen besonders positiv dargestellt wurden.

Oft fühlen Eltern sich regelrecht bedrängt, einer teuren Versorgung zuzustimmen. Fast einem Drittel, genauer 28 Prozent, wurden privatärztliche Angebote von über 2.000 Euro gemacht. Zugleich gibt über die Hälfte dieser Eltern an, dass sie nicht über die Leistungen der Krankenkasse und damit über ihr Recht auf kostenfreie Behandlung ihres Kindes aufgeklärt wurde.

Elternaufklärung verbesserungswürdig

Fazit: Unsere Umfrage weist einmal mehr auf den Zusammenhang zwischen unzureichender oder beeinflussender Aufklärung und der Inanspruchnahme teurer kieferorthopädischer Zusatzleistungen hin. Eltern werden zu wenig über ihr Recht auf kostenfreie Behandlung ihrer Kinder bei vorliegender medizinischer Notwendigkeit aufgeklärt.

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