Frage
Unser Kind ist Autist. In unserer Elternselbsthilfegruppe kursiert jetzt der Name eines Produkts mit Vitamin D und Carnosin, welches zu einer deutlichen Verhaltensverbesserung, weniger krankheitsspezifischen Symptomen und einer verbesserten Lebensqualität führen soll. Gibt es dazu Untersuchungen?
Antwort
Grundsätzlich dienen Nahrungsergänzungsmittel nicht zur Therapie oder Heilung von Erkrankungen und dürfen damit auch nicht beworben werden. Das ist Aufgabe von Arzneimitteln. Das gilt selbstverständlich auch für Autismus.
Dass Kinder mit Autismus von zusätzlichem Vitamin D profitieren, lässt sich aus der aktuellen Studienlage nicht ableiten. Die Idee dahinter ist, dass ein Vitamin-D-Mangel (Mit-)Ursache des Autismus ist. Doch es lassen sich weder wissenschaftliche Belege für einen Mangel als Ursache noch für positive Effekte durch eine zusätzliche Vitamin-D-Einnahme finden. An den wenigen diesbezüglich verfügbaren Studien haben immer nur sehr wenige Kinder teilgenommen - viel zu wenige, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Zu viel Vitamin D kann gerade bei Kindern schnell zu ernsthaften Gesundheitsstörungen führen.
Für den anderen von Ihnen genannten Inhaltsstoff, Carnosin, sieht die wissenschaftliche Datenlage noch düsterer aus. Bisherige Studienergebnisse deuten eher auf eine Wirkungslosigkeit hin. Auf jeden Fall gibt keine belegte Wirkung, die durchgeführten Studien sind von eher schlechter Qualität.
Carnosin kommt natürlicherweise in Muskeln und im Gehirn vor und hat vermutlich antioxidative Eigenschaften. Im Muskel hat es eine Pufferfunktion, schützt ihn vor übermäßiger Säurebildung bei Überanstrengung. Carnosin wird daher in Sportlerprodukten auch zur Verzögerung der Muskelermüdung und zur Förderung der Regeneration eingesetzt. Andere Werbeaussagen sprechen von Nervenschutz, Linderung von Altersbeschwerden und verbesserter Wundheilung. Belegt ist das jedoch nicht. Alle diese gesundheitsbezogenen Werbeaussagen sind von der EU nicht genehmigt.
Der Körper kann Carnosin aus den Aminosäuren ß-Alanin und L-Histidin selbst herstellen. Es besteht als kein Bedarf an einer zusätzlichen Zufuhr. Als Lebensmittelquellen kommen vor allem Muskelfleisch und Fisch in Frage. Pflanzliche Lebensmittel enthalten kein Carnosin.
Im Gegensatz zum Vitamin D geht aber von einer höheren Zufuhr von Carnosin keine Gefahr aus.
Grundsätzlich sollten Kinder keine Nahrungsergänzungsmittel bekommen, sondern zuhause an eine gesundheitsförderliche Ernährung herangeführt werden – mit den Erwachsenen als gute Vorbilder. Befürchten Sie eine unzureichende Ernährung Ihres Kindes, fragen Sie bitte in Ihrer Kinderarztpraxis um Rat. Sollte ein Vitamin-D-Mangel bestehen, lässt sich dieser dort durch eine Blutuntersuchung feststellen.
Quellen:
Kerschner B (2021): Carnosin bei Autismus wohl wirkungslos. medizin transparent vom 24.06.2021
Kerschner B (2021): Vitamin D gegen Autismus: kein Beleg für Wirksamkeit. medizin transparent vom 24.062021
Kinderärzte im Netz: Autismus / Autistische Störungen
Neurologen und Psychiater im Netz: Was sind Autismus-Spektrum-Störungen?