Sorgt nur der Krieg gegen die Ukraine für höhere Preise?
Viele Faktoren verändern die Situation in der Landwirtschaft und der Lebensmittelwirtschaft. Die Kosten für Energie und Düngemittel sind stark gestiegen, Arbeitskräftemangel und Mindestlohn verteuern die Personalkosten. Bereits im Juli 2021 setzte der erste Preisschub bei Lebensmitteln ein, der sich bis heute Monat für Monat fortsetzt. Zuletzt wurden Lebensmittel im Februar 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat durchschnittlich um 5,1 Prozent teurer. Seit März 2022 haben die Discounter und Supermarktketten stufenweise weitere Preiserhöhungen umgesetzt.
Wie stark aktuell die Energie- und Nahrungsmittelpreise Einfluss auf die Gesamtteuerungsrate nehmen, zeigt sich an der Inflationsrate ohne Berücksichtigung von Energie und Nahrungsmitteln: Sie liegt bei +3,8 % und damit nicht einmal halb so hoch wie die Gesamtinflationsrate.
Nicht alle Preissteigerungen basieren aber auf höheren Herstellungskosten. Denn es wird zwar vor allem mit Energierohstoffen wie Erdöl und Gas an den Börsen spekuliert, aber auch mit Nahrungsmitteln wie etwa Weizen, Butter und Pflanzenölen.
Ein kritischer Blick der Politik und des Kartellamtes auf die Handelsunternehmen und einen Teil der Lebensmittelhersteller wäre nötig, um zu prüfen, ob einige die Gunst der Stunde nutzen, um die eigenen Erträge zu verbessern.
Werden Mehl und Brot knapp?
In Deutschland besteht aktuell kein Grund zur Sorge. Die Ukraine und Russland sind zwar wichtige Weizenproduzenten, aber Deutschland ist nach Frankreich der zweitgrößte Getreideproduzent in der Europäischen Union und importiert kein Brotgetreide.
Hamsterkäufe sind vor diesem Hintergrund also nicht nur unnötig, sondern sie verschärfen die Lage zusätzlich. Dass manche Supermarktregale kurzfristig leer bleiben, hängt von einer stark gestiegenen Nachfrage - wie etwa bei Mehl - ab, die nicht schnell genug bedient werden kann.
Die Preise von Mehl, Brot und Backwaren sind allerdings bereits gestiegen und werden vermutlich erst einmal hoch bleiben bzw. noch weiter steigen, weil die deutschen Getreidepreise sich am Weltmarkt orientieren. Länder, die sonst viel Weizen aus der Ukraine und Russland importieren, werden ihren Bedarf stärker auf dem Weltmarkt decken müssen.
China hortet derzeit rund die Hälfte der globalen Lagerbestände an Weizen. Und Indien, eines der weltweit größten Anbauländer von Weizen, hat im Mai den Export des Getreides gestoppt. Der Grund für diese Entscheidung ist die Sicherstellung des eigenen Bedarfs. Das Land leidet seit Wochen unter massiven Hitzewellen, welche u.a. die Ernteerträge niedriger ausfallen lassen. All diese Faktoren führen insgesamt zu Verwerfungen und höheren Preisen auf dem Weltmarkt.
Übrigens: Durch steigende Preise beim Futtergetreide werden auch die Preise bei tierischen Lebensmitteln weiter steigen.
Gibt es Engpässe bei Speiseölen?
Bei Speiseölen ist Deutschland auf Importe aus dem Ausland angewiesen, aber es gibt ein großes Angebot aus anderen EU-Staaten, Osteuropa, Kanada und den USA.
Allerdings gab es bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine Probleme, die sich weltweit ausgewirkt haben: Ernteausfälle in Kanada und Südamerika wegen extremer Hitzewellen, die gestiegene Nachfrage nach Biodiesel als Kraftstoff oder höhere Preise für Energie und Düngemittel. Zudem wird die Preisbildung in der EU und in Deutschland von den internationalen Märkten beeinflusst: Raps ist einer der weltweit am meisten gehandelten Rohstoffen.
Der Krieg gegen die Ukraine verschärft jetzt die schon angespannte Lage. Die Ukraine und Russland produzieren gemeinsam mehr als drei Viertel der weltweiten Sonnenblumen – die Ukraine allein rund die Hälfte. Wegen des Krieges gibt es kurzfristig Lieferengpässe bei Sonnenblumenöl.
In Deutschland können Verbraucher:innen allerdings problemlos auf andere Speiseöle zurückgreifen. Dazu zählen z.B. raffiniertes Rapsöl und Olivenöl zum Braten, bei denen keine Engpässe zu erwarten sind.
Vor diesem Hintergrund sind auch hier Hamsterkäufen nicht notwendig. Sie erzeugen außerdem künstliche Engpässe, weil die Lieferketten und Ölmühlen nicht in der Lage sind, auf kurzfristig stark steigende Nachfragen angemessen zu reagieren.