Energiearmut: So können Sie Betroffene unterstützen

Stand:
Wenn das Geld nicht mehr ausreicht, um Energierechnungen zu begleichen, droht Energiearmut. Beratende können Betroffene gezielt unterstützen und eine Energiesperre abwenden.
Grafik_Eine Frau grübelt über Rechnung

Das Wichtigste in Kürze:

  • Klemmt es finanziell an vielen Stellen? Dann machen Sie mit den Ratsuchenden einen Budgetcheck.
  • Machen Sie deutlich, dass Strom- und Gasrechnungen immer pünktlich gezahlt werden müssen.
  • Befindet sich die oder der Ratsuchende im Rückstand und ist eine Energiesperre angedroht worden, vermitteln Sie ein Gespräch zwischen Betroffenem und Versorger und regen Sie eine Abwendungsvereinbarung an.
  • Ist eine Energiesperre eingetreten, sollte der Rückstand umgehend beglichen werden, um schnellstmöglich wieder an Strom und Gas zu kommen.
On

Energiearmut: Wann liegt sie vor?

Die Rekordpreise für Energie entwickeln sich wieder rückläufig; aktuell senken viele Stromanbieter ihre Tarife um durchschnittlich 12 Prozent. Doch insgesamt bewegen sie sich auch weiterhin auf hohem Niveau, wie das Vergleichsportal Verivox aufzeigt. Und das macht vor allem Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen. Häufig reicht ihnen das Geld ohnehin nur knapp für Fixkosten und Ausgaben des alltäglichen Lebens. Mittlere bis größere Ausgaben werden häufiger über Ratenkredite finanziert – was das Risiko erhöht, sich hoch zu verschulden.

Darüber hinaus mieten Menschen mit geringem Einkommen häufiger günstigeren Wohnraum an, der sich in der Energiekrise in vielen Fällen als Kostenfalle entpuppte: Ältere Heizungsmodelle oder Stromdirektheizungen sind hier vermehrt zu finden – und die treiben die Kosten zusätzlich. Zudem sind oft Außenwände nicht gedämmt oder Fenster und Türen undicht. Das hat zur Folge, dass viel Wärme verloren geht.

Wer die Wohnung dennoch warmhalten will, muss entsprechend mehr heizen – und treibt damit die Energiekosten weiter in die Höhe. Viele Verbraucher:innen können die hohen Ausgaben für Energie nur noch stemmen, weil sie an anderen Stellen eisern sparen oder verstärkt auf ihren Energieverbrauch achten und diesen, wo sie nur können, reduzieren. Und dennoch: Das Risiko für Energiearmut steigt.

Was ist Energiearmut?

Eine allgemeingültige Definition von Energiearmut gibt es bislang nicht. Der Begriff beschreibt jedoch eine Situation, in der Menschen aufgrund geringer oder fehlender finanzieller Mittel keinen oder nur beschränkten Zugang zu Strom, Gas oder Heizöl haben. Als ein Richtwert gilt etwa das Verhältnis der Ausgaben zum Haushaltsnettoeinkommen: Liegen die Ausgaben für Heizen, Warmwasser und Strom bei mehr als zehn Prozent des Nettoeinkommens eines Haushaltes, liegt Energiearmut vor.

Der erste Schritt: Überblick über Finanzen gewinnen

Wenn stark gestiegene Abschläge für Strom und Gas bei Verbraucher:innen zu finanziellen Engpässen führen, sollten sie sich umgehend einen Überblick über ihre Finanzen verschaffen. Raten Sie Betroffenen, regelmäßig ein Haushaltsbuch zu führen. Das kann zum Beispiel ein Notizbuch sein, in dem die Einnahmen und Ausgaben händisch eintragen werden, eine Excel-Liste oder eine vertrauenswürdige App. Machen Sie deutlich, wie wichtig es ist, dranzubleiben, regelmäßig einzutragen und am Ende des Monats Bilanz zu ziehen: Wie viel Geld bleibt am Monatsende übrig? Wo hätte ich sparen können? Was kann ich im nächsten Monat besser machen?

Wenn das Geld nicht reicht: So helfen Sie Betroffenen

Verträge richtig priorisieren

Machen Sie deutlich: Miete, Strom- und Gasrechnungen müssen immer zuerst gezahlt werden – auch wenn andere Rechnungen offen sind und Betroffene hier bereits zur Zahlung aufgefordert wurden. Warum? Kommen Verbraucher:innen den Forderungen der Energieversorger nicht zeitnah nach, droht Ihnen schon bei Rückständen von zwei Abschlägen, die zusammen mindestens 100 Euro betragen müssen, eine Strom- und Gassperre.

Prüfen Sie die Höhe der Abschläge

Prüfen Sie, ob die Höhe der Rechnungen und der Abschläge stimmt, ob die Preisbremse richtig berechnet wurde und der Tarif stimmt. Oft zeigt sich nämlich, dass die Abschläge oder Entlastungsbeträge falsch berechnet wurden und Ratsuchende deutlich zu viel zahlen. Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Ratsuchende zahlt einen Abschlag von monatlich 400 Euro für Gas. Nach richtiger Berechnung und Anpassung an den tatsächlichen Verbrauch liegt der Abschlag jedoch bei nur noch 150 Euro.

Regen Sie einen Anbieterwechsel an

Vergleichen Sie gemeinsam mit den Ratsuchenden die Tarife anderer Anbieter. Derzeit kann sich ein Anbieterwechsel wieder lohnen und helfen, die Energiekosten in einen bezahlbaren Bereich zu bringen oder Freiräume zu schaffen, um einen Rückstand aus einer Rechnung zu begleichen.

Einsparpotenziale finden

Überprüfen Sie gemeinsam mit den Ratsuchenden den Energieverbrauch und zeigen Sie ihnen Einsparpotenziale auf. Weitere Informationen finden Sie hier: Strom sparen im Haushalt: Einfache Tipps | Verbraucherzentrale.de

Was tun, wenn Ratsuchenden eine Energiesperre droht?

  • Zähler ablesen lassen und Höhe der Abschläge prüfen

Prüfen Sie zunächst, ob der Betrag stimmt, den der Versorger fordert. Denn der darf Strom oder Gas erst dann sperren, wenn Rückstände in Höhe von zwei Monatsabschlägen und mindestens 100 Euro bestehen. Da Abschläge immer Vorauszahlungen auf einen geschätzten Verbrauch sind, sollten die Ratsuchenden in solchen Fällen zuallererst den Zähler ablesen und schauen, ob Sie vielleicht weniger verbraucht haben als in der Rechnung angegeben. Falls ja, teilen Sie die korrekten Werte dem Versorger umgehend mit. Dann kann der Abschlag korrigiert werden und der Rückstand schrumpfen – und die Sperre ist mit etwas Glück vom Tisch.

  • Kontakt mit Versorger aufnehmen und um Ratenplan bitten

Stimmt der Rückstand und der Betroffene kann ihn nicht begleichen? Dann nehmen Sie umgehend Kontakt mit dem Versorger auf und bitten um eine Abwendungsvereinbarung mit Ratenplan. Der Versorger ist dazu verpflichtet dies anzubieten, wenn eine Sperre droht. Sie haben auch nach Abschluss der Ratenvereinbarung noch innerhalb eines Monats das Recht, Einwände gegenüber der Forderung zu erheben- falls sich zum Beispiel herausstellt, dass die Forderungshöhe nicht stimmt. Wichtig: Bietet der Versorger lediglich eine Ratenvereinbarung über 6 Monate an, können Sie gemeinsam mit den Betroffenen dagegen vorgehen. Bei Forderungen über 300 Euro muss die Abwendungsvereinbarung aus mindestens 12 bis 24 Raten bestehen.

  • Kommen Einmalhilfen von Bund, Ländern oder Wohlfahrtsverbänden in Betracht?

Sollte auch die Höhe der Ratenzahlungen zu hoch sein, prüfen Sie, ob die Möglichkeit besteht, für die oder den Betroffenen einen finanziellen Zuschuss zu beantragen. So kann eine kleinere Personengruppe, etwa bestimmte Berufs- und Personengruppen aus der Ost-West-Rentenüberleitung, Spätaussiedler:innen oder jüdische Zuwander:innen, die über ein geringes Einkommen verfügen, bis 30. September 2023 einen Antrag auf Einmalzahlung aus dem Härtefallfonds stellen. Dieser stellt Anspruchsberechtigten eine pauschale Einmalhilfe in Höhe von 2.500 Euro in Aussicht. Ratsuchende, die die Voraussetzungen für den Härtefallfonds nicht erfüllen, können Einzelfallhilfen von Stiftungen und Wohlfahrtsverbänden in Betracht kommen. Hier sollte direkt Kontakt mit den jeweiligen Stellen aufgenommen werden. Darüber ist es sinnvoll, einen Beratungstermin beim Sozialamt oder Jobcenter zu vereinbaren: Diese bieten Betroffenen in Notfällen ein einmaliges Bürgergeld mit entsprechender Heizkostenbeihilfe an.

Achtung, Ratenzahlung!

Sofern Sie für den Ratsuchenden einen Ratenplan mit dem Versorger vereinbaren konnten, damit dieser Rückstände abbauen kann, erinnern Sie ihn daran: Die Raten müssen immer pünktlich und gewissenhaft gezahlt werden. Um die Überweisung nicht zu vergessen, kann es sinnvoll sein, eine Dauerüberweisung einzurichten. Denn allein schon eine fehlende Rückzahlungsrate hat böse Folgen: Die sogenannte Abwendungsvereinbarung in Form des Ratenplans platzt. Der Versorger darf dem Betroffenen dann sofort Strom oder Gas abklemmen. Sollte es dennoch finanziell eng werden, sollten die Betroffenen umgehend Kontakt zu ihrem Versorger aufnehmen und die Stundung der Raten beantragen. Verbraucher:innen können bis zu drei Raten aussetzen – allerdings nur, wenn sie ihren Versorger im Vorfeld informiert haben.

Eine Strom- oder Gassperre liegt vor: Das sollten Sie Betroffenen raten

Rückstand umgehend begleichen

Verbraucher:innen, die den Rückstand sofort begleichen, kommen schneller wieder an Strom und Gas. Versorger sind verpflichtet, die Sperrung unverzüglich wieder aufzuheben, sobald der Rückstand beglichen wurde. Je nach Auslastung des Sperrdienstes kann das beim Strom aber ein paar Tage dauern. Komplizierter ist es beim Gas, hier muss erst ein Gasinstallateur eine Druckprüfung machen – und je nach Auslastung der Betriebe kann das den Vorgang verzögern.

Mit dem Versorger verhandeln

Können Betroffene den Rückstand nur teilweise begleichen, sollten sie versuchen, mit dem Versorger zu verhandeln. Manche Strom- oder Gasanbieter bieten die Möglichkeit an, beispielsweise die Hälfte der Schulden anzuzahlen und die andere Hälfte in Raten abzuzahlen.

Staatliche Hilfen beantragen

Sollten Ratsuchende den Rückstand gar nicht begleichen können und Versorger keinem weiteren Ratenplan mehr zustimmen, raten Sie dazu, schnellstmöglich einen Beratungstermin beim örtlichen Jobcenter oder Sozialamt Ihres Wohnortes zu vereinbaren. Hier können Sie ein einmaliges Bürgergeld oder Darlehen für Energieschulden beantragen, um so den Rückstand zu begleichen.

Vorsicht: Umzug!

Menschen, die gar keine Möglichkeiten haben die Rückstände zu begleichen, versuchen manchmal umzuziehen, um so wieder Zugang zu Strom und Gas zu bekommen. Stellen Sie klar: Das funktioniert nur dann, wenn die Wohnung nicht im gleichen Versorgungsgebiet liegt. Falls doch, wird der Versorger auch hier sperren, wenn er den gleichen Vertragspartner an einer anderen Anschrift vorfindet. Zeigen Sie den Ratsuchenden auf: Ein Umzug kann ihnen im besten Falle nur Zeit gewähren, um die Schulden zu begleichen. Die Schulden holen sie immer ein, wenn auch verspätet und dann oft in Form eines Inkassoschreibens mit Zinsen und noch höheren Gebühren.

Kostenfalle: Energiesperre

Eine Energiesperre kann teuer werden: Zinsen auf offene Beträge, Sperrkosten, Entsperrkosten und Mahnkosten erhöhen die offenen Forderungen zusätzlich. Diese sind von Versorger zu Versorger sehr unterschiedlich und können zwischen 30 und 300 Euro betragen.

Grafik visualisiert die Themenschwerpunkte des Newsletter Energiekosten und Finanzen

Unser neuer Newsletter: Krisenkompass - Kosten im Fokus

Die Energiekrise ist noch nicht vorbei. Deshalb bieten die Verbraucherzentralen einen monatlich kostenlos erscheinenden Service-Newsletter, der Sie über die komplexen Folgewirkungen der Energiekrise informiert. Wie komme ich sicher durch die Energiekrise und durch den nächsten Winter? Was kommt an Kosten, Problemen und Aufwand auf mich zu? Welchen Informationen kann ich vertrauen? Wo finde ich Hilfe, wenn es eng wird?

Ratgeber-Tipps

Das Haushaltsbuch
Mit dem Haushaltsbuch der Verbraucherzentrale führen Sie Ihr "Unternehmen Haushalt" erfolgreich - Sie…
Hausfront mit mehreren Balkonen mit Steckersolarmodulen

Neue Gesetze und Normen für Steckersolar: Was gilt heute, was gilt (noch) nicht?

Für Balkonkraftwerke gelten zahlreiche Vorgaben, die politisch oder technisch definiert sind. Was ist heute erlaubt und was nicht? Verschaffen Sie sich einen Überblick über Änderungen und Vereinfachungen.
Düstere Schwarz-Weiß-Aufnahme eines Mannes, der vor einem Laptop sitzt

Betrug: Phishing-Mails und falsche SMS von Ministerien und Behörden

Aktuelle Entwicklungen machen sich Kriminelle schnell zu Nutze. So auch zu den Themen Inflation, Energiekrise und nationale Sicherheit. Der Betrug kommt per SMS, E-Mail oder auf falschen Internetseiten. In diesem Artikel warnen wir vor verschiedenen aktuellen Betrugsmaschen.
Logos der Apps Facebook und Instagram auf einem Smartphone

Abo für Facebook und Instagram: Neue Klage gegen Meta

Geld bezahlen oder personalisierte Werbung sehen: Vor diese Wahl stellen Facebook und Instagram ihre Mitglieder seit November 2023. Die Verbraucherzentrale NRW klagt jetzt in einem zweiten Verfahren gegen den Betreiberkonzern Meta. Ein erstes Verfahren war bereits erfolgreich.