Sie sind berufstätig und ein naher Angehöriger ist auf einmal pflegebedürftig. Was nun? Der Gesetzgeber sieht verschiedene Möglichkeiten vor, um Sie in dieser Situation zu unterstützen.
Bitte beachten Sie: Wegen der Corona-Pandemie sind zurzeit manche Regelungen rund um die Pflege anders als sonst.
Bis zu 10 Tage: Freistellung durch die kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Sie können sich spontan bis zu 10 Tage von der Arbeit freistellen lassen, wenn Sie Zeit brauchen, eine akut aufgetretene Pflegesituation neu zu organisieren. Das nennt sich kurzzeitige Arbeitsverhinderung. Sie können die kurzzeitige Arbeitsverhinderung, die Pflegezeit und die Familienpflegezeit als nahe Angehörige einer pflegebedürftigen Person nutzen. Dazu zählen Ehe- und Lebenspartner, Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft, Eltern, Geschwister und Kinder, aber auch Stief-, Schwieger- und Großeltern, Adoptiv-, Pflege-, Schwieger- und Enkelkinder sowie Schwägerinnen und Schwager.
Ein typischer Fall wäre, wenn ein Angehöriger einen schweren Schlaganfall hatte und nicht mehr ohne Pflege zu Hause leben kann. Bei einer solch plötzlichen und unerwarteten Pflegebedürftigkeit können Sie von heute auf morgen bis zu 10 Arbeitstage von der Arbeit fernbleiben, um die Pflege zu organisieren oder in dieser Zeit sicherzustellen.
Sie müssen die 10 Tage nicht am Stück nehmen. Sie können sich auch mehrmals wenige Tage frei nehmen. Außerdem können Sie sie auf mehrere Personen aufteilen. So können sich beispielsweise zwei Geschwister jeweils 5 Tage frei nehmen. Entscheidend ist, dass der Anspruch auf insgesamt 10 Arbeitstage pro zu pflegender Person beschränkt ist.
Wird ein weiterer Angehöriger pflegebedürftig - nach dem Vater beispielsweise auch die Mutter - können Sie sich erneut für 10 Tage freistellen lassen.
Ein Recht auf 10 Tage kurzzeitige Arbeitsverhinderung haben alle Arbeitnehmer unabhängig von der Unternehmensgröße. Eine bestimmte Ankündigungsfrist gibt es nicht. Sie ist also "sofort" möglich. Jedoch ist der Arbeitnehmer verpflichtet, den Verhinderungsgrund und die voraussichtliche Dauer mitzuteilen.
Für Beamte, Soldaten und Richter gelten unterschiedliche Regeln in den einzelnen Bundesländern. Langfristig sollen die Rechte an die Regelungen für Arbeitnehmer angepasst werden.
Eine Lohnfortzahlung während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung gibt es nur, wenn diese ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde. Ansonsten ist sie seit dem 1. Januar 2015 für die Zeit der Freistellung von der Arbeit das Pflegeunterstützungsgeld vorgesehen. Diese Leistung beträgt 90 Prozent des ausgefallenen Netto-Entgelts und muss unverzüglich bei der Pflegekasse des pflegebedürftigen Angehörigen beantragt werden. Es ist dafür nicht nötig, dass Ihr Angehöriger bereits einen Pflegegrad hat. Manche Kassen verlangen aber eine Bescheinigung vom Arzt, dass wahrscheinlich bald eine Pflegebedürftigkeit bestätigt wird.
Mehr Informationen zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderung gibt es beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Bis zu 6 Monate: Freistellung oder Teilzeit durch die "Pflegezeit"
Arbeitnehmer können bis zu 6 Monate vollständig oder teilweise aus dem Job aussteigen, um einen pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause zu pflegen. Das nennt sich Pflegezeit.
Nach der Pflegezeit haben Sie ein Anrecht, wieder in Vollzeit in den alten Job zurückzukehren. Während der Pflegezeit gibt es auf Wunsch finanzielle Unterstützung in Form eines Darlehens vom Staat, um den Lohnausfall abzufedern. Es gelten die gleichen Regeln für Arbeitnehmer, Beamten, Soldaten und Richter.
Wichtige Voraussetzung für ein Anrecht auf Pflegezeit ist, dass der Betrieb noch mindestens 15 weitere Personen beschäftigt. Auch Auszubildende zählen. Wer in einem kleineren Betrieb arbeitet, kann gegebenenfalls auf freiwilliger Basis die Pflegezeit mit dem Arbeitgeber vereinbaren.
Sie wollen die Pflegezeit in Anspruch nehmen? Dann müssen Sie dies Ihrem Arbeitgeber mindestens 10 Tage im Voraus ankündigen. Häufig ist es sinnvoll, die kurzzeitige Arbeitsverhinderung zu nutzen und direkt am gleichen Tag ebenfalls die Pflegezeit anzukündigen.
Außerdem sollte bei Ihrem Angehörigen bereits ein Pflegegrad anerkannt worden sein. Ist das nicht der Fall, sollten Sie so schnell wie möglich Leistungen der Pflegeversicherung bei der Pflegekasse des Angehörigen beantragen. Wenn Sie nachweisen, dass Sie gegenüber dem Arbeitgeber bereits angekündigt haben, Pflegezeit in Anspruch nehmen zu wollen, muss der Medizinische Dienst spätestens zwei Wochen nach Antragstellung bei der Pflegekasse seine Begutachtung durchführen und Ihnen das Ergebnis unverzüglich mitteilen.
Bis zu 3 Monate: Begleitung in der letzten Lebensphase durch eine besondere Form der "Pflegezeit"
Um einen pflegebedürftigen Angehörigen in der letzten Lebensphase zu begleiten, können Sie bis zu 3 Monate vollständig oder teilweise aus dem Job aussteigen. Die Begleitung ist auch möglich, wenn der Angehörige in einem Hospiz oder einer anderen Einrichtung versorgt wird. Das Hauptaugenmerk liegt nicht auf der Pflege, sondern darauf, noch ein letztes Mal gemeinsame Zeit zu verbringen. Ein Pflegegrad ist nicht erforderlich, um die Begleitung in Anspruch zu nehmen.
Bis zu 2 Jahre: Teilzeit durch die "Familienpflegezeit"
Wenn 6 Monate Pflegezeit nicht ausreichen, können Sie bis zu 2 Jahre teilweise aus dem Job aussteigen, um einen pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause zu pflegen. Das nennt sich Familienpflegezeit.
Während der Familienpflegezeit müssen Sie weiterhin mindestens 15 Stunden in der Woche arbeiten. Dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert, der im Jahresmittel erreicht werden muss.
Allerdings haben nur Arbeitnehmer:innen in Unternehmen mit mindestens 26 Beschäftigten einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit. Arbeiten Sie in kleineren Betrieben, müssen Sie sich auf freiwilliger Basis mit ihrem Arbeitgeber einigen. Haben Sie keinen rechtlichen Anspruch auf Familienpflegezeit, sollten Sie sich frühzeitig mit Ihrem Arbeitgeber zusammensetzen und nach einer möglichen Lösung für die Pflege Ihrer Angehörigen suchen.
Damit Sie die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen können, muss bei dem Angehörigen ein Pflegegrad vorliegen. Wurde noch kein Pflegegrad anerkannt, gelten die gleichen Regeln wie bei der Pflegezeit. Sie sollten schnellstmöglich einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bei der Pflegekasse des Angehörigen stellen.
Wurde die Familienpflegezeit bereits beim Arbeitgeber angekündigt, muss der Medizinische Dienst innerhalb von 2 Wochen nach dem Antrag den Angehörigen begutachten und das Ergebnis unverzüglich mitteilen. Die gleichen Anspruchsregeln gelten für Beamte, Richter und Soldaten.
Haben Sie vor einer Familienpflegezeit bereits eine Pflegezeit in Anspruch genommen, darf die Kombination eine Gesamtdauer von 24 Monaten nicht überschreiten.
Betreuung minderjähriger, pflegebedürftiger Angehöriger
Wenn Sie einen minderjährigen, pflegebedürftigen Angehörigen betreuen möchten, können Sie ebenfalls Pflegezeit oder Familienpflegezeit nutzen. Sie haben sogar dann Anspruch, wenn sich das Kind in einer Einrichtung befindet. Die Freistellung setzt ebenso wie bei erwachsenen Pflegebedürftigen voraus, dass bei dem Kind ein Pflegegrad anerkannt ist.
Förderung der pflegebedingten Freistellung
Während der Pflegezeit bekommen Sie vom Arbeitgeber den üblichen Lohn für die geleistete Arbeit. Wenn Sie reduzieren, bekommen Sie also ein Teilzeitgehalt. Wenn Sie sich komplett freistellen lassen, bekommen Sie vom Arbeitgeber nichts. Um den Lohnausfall abzufedern, haben Sie in beiden Fällen ein Recht auf ein zinsloses Darlehen vom Staat. Die Höhe richtet sich nach der Höhe des ausfallenden Lohnes. Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausgezahlt und deckt bis zur Hälfte des entgangenen Nettogehalts. Sobald Sie wieder voll arbeiten, zahlen Sie die Raten in gleicher Höhe zurück. Nötig ist dafür ein Antrag beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA).