Untergeschobene Versicherungsverträge

Stand:
OLG Frankfurt hebt Ordnungsgeldbeschluss gegen F.A.S.I. auf, bewertet die neue Vorgehensweise der F.A.S.I. Flight Ambulance GmbH jedoch weiterhin als ein „Unterschieben“ von Versicherungsverträgen.

Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 27.01.2022, 6 W 46/21

Vorinstanzen:
Landgericht Limburg a. d. Lahn, Beschluss vom 04.06.2021, 5 O 30/16 (aufgehoben)
Landgericht Limburg a. d. Lahn, Urteil vom 16.12.2016, 5 O 30/16

 

LG Limburg a. d. Lahn, Urteil vom 16.12.2016, 5 O 30/16

Das Landgericht Limburg a. d. Lahn hatte im Jahr 2016 auf eine Unterlassungsklage der Verbraucherzentrale hin entschieden, dass es unzulässig ist, wenn Verbraucher:innen ohne Anforderung ein Schreiben zugeleitet wird, in dem mitgeteilt wird, dass sich eine dreimonatige kostenlose Testmitgliedshaft nach Ablauf in ein entgeltliches Schutzpaket verlängert, sofern der Verbraucher nicht 6 Wochen vor Ablauf der Testphase mitteilt, dass die Verlängerung nicht gewünscht wird.

LG Limburg a. d. Lahn, Beschluss vom 04.06.2021, 5 O 30/16 (aufgehoben)

Die Verbraucherzentrale hatte dann im Jahre 2020 aufgrund weiterer 4 Verbraucherbeschwerden über das werbliche Vorgehen der F.A.S.I. beim Landgericht Limburg wegen Verstoßes gegen das Urteil aus dem Jahre 2016 die Festsetzung eines empfindlichen Ordnungsgeldes beantragt. Das Landgericht bejahte in erster Instanz den Verstoß gegen das Urteil und verhängte ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 Euro.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.01.2022, 6 W 46/21

Das Oberlandesgericht Frankfurt hob in zweiter Instanz den Ordnungsgeldbeschluss auf, da die F.A.S.I. nicht gegen die Entscheidung aus dem Jahr 2016 verstoßen habe. Die beanstandeten vier Vorfälle seien nicht kerngleich mit dem titulierten Verbot.

Off

In dem Verfahren aus dem Jahre 2016 urteilte das Landgericht Limburg über das Anschreiben der Beklagten, mit welchem eine „kostenfreie Test-Mitgliedschaft“ für eine Rückholversicherung bestätigt wurde. Tatsächlich musste diese „kostenlose Testmitgliedschaft“ sechs Wochen vor Ablauf der Testphase schriftlich gekündigt werden, um einen kostenpflichtigen Jahresvertrag abzuwenden. Das Landgericht Limburg teilte die Auffassung der Verbraucherzentrale, dass dieses geschäftliche Vorgehen irreführend und unzulässig war und verurteilte die Beklagte antragsgemäß.

Bei den im Ordnungsgeldverfahren vorgelegten Fällen, hatte die Beklagte ihr werbliches Vorgehen geändert. Nach Abschluss eines Zeitschriftenabonnements wurde jeweils ein Telefonat zur „Qualitätskontrolle“ geführt, in dem Telefonat wurde bereits die Möglichkeit einer dreimonatigen kostenlosen Testmitgliedschaft in den Raum gestellt. Mit einem anschließenden Schreiben wurde auf dieses Telefonat und die dreimonatige kostenlose Testmitgliedschaft als Dankeschön für die Zeitschriftenbestellung Bezug genommen. Mit einem weiteren Schreiben wurde diese „kostenfreie Testmitgliedschaft“ bestätigt. In diesem Schreiben wurde dann darauf hingewiesen, dass die Verbraucherin aktiv nach Ablauf der kostenfreien Testphase einer Umwandlung in ein Schutzpaket mit einer Laufzeit von einem Jahr widersprechen müsse. Das Landgericht Limburg a. d. Lahn verhängte das empfindliche Ordnungsgeld mit der Begründung, dass der Verbotsumfang des Urteils auch Handlungen umfasse, die zwar vom Kern der verbotenen Handlung geringfügig abweichen, aber dennoch im Wesentlichen als Verstoß gegen das Urteil anzusehen wären. Auch in den vorliegenden Fällen würde der irrige Eindruck, eine Vertragsbindung sei bereits entstanden, bei den angesprochenen Verbraucher:innen erweckt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt allerdings kam in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen den Kernbereich der Entscheidung aus dem Jahre 2016 nicht vorliegen würde und hob den Ordnungsgeldbeschluss auf. In den Fällen, die dem Ordnungsgeldverfahren zugrunde lagen, habe die Beklagte es zwar unzweifelhaft auch darauf angelegt, den Verbraucher:innen einen Versicherungsvertrag „unterzuschieben“, aber der Ablauf sei ein anderer.  Dem ursprünglichen Tenor lag der Sachverhalt zugrunde, dass mit einem Schreiben, das die Verbraucher:innen so nicht angefordert hatte, der Abschluss eines dreimonatigen Versicherungsvertrages bestätigt worden war. In den dem Ordnungsmittelverfahren zugrundeliegenden Fällen aber wäre bereits in dem Anruf zur Qualitätskontrolle ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages unterbreitet worden. Damit fehle es an der Voraussetzung, dass das Schreiben ohne Anforderung zugeleitet wird.

Zum Volltext der Entscheidung:

Beschluss Oberlandesgericht Frankfurt vom 27.1.2022 (Az. 6 W 46/21)

Ordnungsgeld-Beschluss Landgericht Limburg a. d. Lahn vom 04.06.2021 (Az. 5 O 30/16; aufgehoben)

Urteil Landgericht Limburg a. d. Lahn vom 16.12.2016 (Az. 5 O 30/16)

Bundesgerichtshof

BGH-Urteil: Postbank kann Zustimmung nicht uneingeschränkt einholen

Banken können Ihre Zustimmung, etwa zu geänderten AGB und Preisen, nicht einfach unterstellen. Das entschied der Bundesgerichtshof. Geben Verbraucher:innen die geforderte ausdrückliche Zustimmung nicht ab, drohen Banken aber mit der Kündigung. Dürfen Banken kündigen - und was können Sie dagegen tun?

Mögliche Sammelklage gegen die CLAIM Rechtsanwalts GmbH: Verbraucheraufruf

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg prüft derzeit die Voraussetzungen einer Sammelklage gegen die CLAIM Rechtsanwalts GmbH, Köln. Wir suchen daher Verbraucher:innen, die von diesem Unternehmen mit dem Vorwurf des Falschparkens konfrontiert wurden, daraufhin ein „Vergleichsangebot“ angenommen und Geld an die Kanzlei gezahlt haben.

Musterfeststellungsklage gegen GASAG AG

2. Dezember 2021: Kunden:innen der GASAG in der Grund- oder Ersatzversorgung mit Gas zahlten vor diesem Datum 6,68 Cent pro Kilowattstunde. All jene Verbraucher:innen, bei denen der Belieferungsbeginn zwischen dem 2. Dezember 2021 und dem 30. April 2022 lag, zahlten mehr als 18 Cent. Der Tarif für Bestandskund:innen blieb wesentlich günstiger.
Davon betroffen sind zehntausende Verbraucher:innen. Für sie kann sich der Preisunterschied schnell auf hunderte von Euro summieren und existenzbedrohend sein.
Der vzbv hält das „Zweiklassensystem“ der GASAG für unrechtmäßig und will mit der eingereichten Musterfeststellungsklage den Betroffenen helfen.