Landgericht Hamburg, Urteil vom 10.10.2023 (Az. 406 HKO 120/22)
Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30.05.2024 (Az. 15 U 90/23)
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.06.2025 (Az. I ZR 99/24)
Die KSP Kanzlei Rechtsanwaltsgesellschaft mbH versandte ein Inkassoschreiben an einen Verbraucher aufgrund eines vermeintlichen Mietvertrags über ein Mobilfunkgerät. Der darin genannte Vertrag mit einer „Grover GmbH“ existierte nicht und ein Mobilfunkgerät zur Miete wurde vom Verbraucher auch nie bestellt. Das gerichtliche Vorgehen der Verbraucherzentrale bleib ohne Erfolg. Nach einem klageabweisenden Urteil des Bundesgerichtshofs, der die Rechtsauffassung vertritt, dass das außergerichtliche Handeln des Rechtsanwalts kein geschäftliches Handeln ist, erhob die Verbraucherzentrale Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 1634/25). Nach Auffassung der Verbraucherzentrale hätte diese Zweifelsfrage vom EuGH entschieden werden müssen.
In diesem Inkasso-Schreiben sieht die Verbraucherzentrale eine Irreführung von Verbraucher:innen und erhob nach erfolgloser Abmahnung Klage zum Landgericht Hamburg.
Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass es bereits an einem Rechtschutzbedürfnis der Verbraucherzentrale fehle. Ein Rechtsanwalt könne aufgrund seiner Berufsfreiheit und seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege für die gehörige Weiterleitung einer Information seiner Mandanten persönlich haftbar sein. Eine weitergehende Pflicht als die des § 43d BRAO treffe den Rechtsanwalt grundsätzlich nicht.
Das Hanseantische Oberlandesgericht hat die Berufung der Verbraucherzentrale gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass es sich in dem vorgetragenen Fall um einen Einzelfall handele und eine abstrakte Unterlassungsverpflichtung nicht verlangt werden könne. Eine Verpflichtung der Kanzlei, in jedem weiteren Fall zu prüfen, ob der behauptete Vertrag tatsächlich existierte, bestünde nicht und sei im Rahmen einer Inkasso-Dienstleistung auch nicht möglich. Dabei bestätigte das Oberlandesgericht auch die Auffassung des Landgerichts hinsichtlich der Pflichten eines Rechtsanwalts und führte aus, dass eine solche Unterlassungsverpflichtung für außergerichtliche Inkasso-Dienstleistungen die Beklagte, auch in einem möglichen gerichtlichen Verfahren, unzumutbar einschränken würde. Insoweit stelle die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs durch einen Anwalt eine untrennbare Einheit dar. Hinsichtlich des zweiten Klageantrags wurde zwar die Zulässigkeit der Klage bejaht, allerdings eine geschäftliche Handlung, die für den Anspruch erforderlich ist, verneint.
Das Oberlandesgericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu.
Die von der Verbraucherzentrale eingelegte Revision wurde vom BGH mit Urteil vom 18.06.2025 zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof sah zwar beide Anträge als zulässig, jedoch als unbegründet an.
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach in der anwaltlichen Inkassotätigkeit keine geschäftliche Handlung liege und die Klage daher nicht begründet sei.
Er führte aus, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Rechtsanwalt angegriffen werde, wenn man eine Verpflichtung der Anwälte zur Überprüfung der im Inkassoverfahren mitgeteilten Tatsachen annehme.
Dabei hob das Gericht die besondere Stellung eines Rechtsanwalts im Unterschied zu einem gewerblichen Inkasso-Unternehmen hervor. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 2005/29/EG (UGP-Richtlinie) sah das Gericht nicht veranlasst.
Die Verbraucherzentrale sieht darin eine Verletzung ihres grundrechtlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter an. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung der europarechtlichen Vorgaben hätte nach dem Arbeitsvertrag der europäischen Union erfolgen müssen. Die Frage, ob eine geschäftliche Handlung nach der Richtlinie 2005/29/EG vorgelegen habe, könne nicht zweifelsfrei durch die nationalen Gerichte entschieden werden. Diese Frage ist nach Auffassung der Verbraucherzentrale noch nicht abschließend durch den Europäischen Gerichtshof beantwortet und stellt auch keinen Fall der unzweifelhaften Auslegung dar.
Die Verfassungsbeschwerde verfolgt das Ziel, die Stellung des Rechtsanwalts und dessen Pflichten bei außergerichtlichen Inkasso-Dienstleistungen einheitlich klären zu lassen und damit Verbraucher:innen Rechtssicherheit bei solchen Schreiben zu gewährleisten. Eine Sonderstellung, die den Rechtsanwalt von Pflichten entbindet, die die UGP-Richtlinie für geschäftliche Handlungen vorsehen, kann nach Auffassung der Verbraucherzentrale nicht bestehen.
Zum Volltext der Entscheidung
Urteil des LG Hamburg vom 10.10.2023, Az. 406 HKO 120/22
Urteil des Hanseatischen OLG vom 30.05.2024, Az. 15 U 90/23
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2025, Az. I ZR 99/24