"Hot-Chip-Challenge": Verkehrsverbot in einzelnen Bundesländern

Stand:
Social-Media-Challenges mit scharfen Lebensmitteln können böse enden. Der Hersteller hat inzwischen den Verkauf von "Hot Chips" nach Deutschland gestoppt, es liegt aber noch Ware in den Regalen. Die Verbraucherzentralen fordern, die Chips bundesweit aus dem Verkehr zu ziehen.
Packung der extrascharfen Hot Chips

Das Wichtigste in Kürze:

  • Scharfe Lebensmittel wie Chili-Saucen verleiten immer wieder zu Mutproben. Über Videos in sozialen Netzwerken wie TikTok und YouTube werden diese sogenannten "Challenges" weit verbreitet.
  • Ein sehr hoher Schärfegrad kann Magenschmerzen und andere gesundheitliche Folgen haben, vor allem bei Kindern und Jugendlichen.
  • Mittlerweile hat der Hersteller den Verkauf nach Deutschland gestoppt, Restbestände werden dennoch weiter verkauft, so lange kein Rückruf vorliegt.
  • Die Verbraucherzentralen fordern deshalb weiterhin, das Produkt deutschlandweit chargenunabhängig aus dem Verkehr zu ziehen. Vermutlich kann keine Charge als sicher bewertet werden.
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Welche gesundheitlichen Risiken bergen "Hot Chips"?

Das sind mögliche Folgen zu scharfer Lebensmittel:

  • Reizungen der Schleimhäute in Mund, Magen und Darm,
  • Übelkeit und
  • unter Umständen Atemnot.

Sie werden immer wieder für Mutproben genutzt. In sozialen Medien sorgte unlängst ein Chips-Hersteller für Furore, weil er die "Hot-Chip-Challenge" ausrief und ein iPhone als Gewinn verspricht. Das führte bereits zu Notarzteinsätzen an Schulen.

Verantwortlich für den brennenden Geschmack scharfer Lebensmittel ist vor allem das Capsaicin, ein Stoff aus der Chilischote. Capsaicin erregt Nervenzellen, die für Wärme- und Schmerzreize verantwortlich sind. Kommen Haut oder Augen mit dem Capsaicin in Kontakt, so sind auch Hautirritationen sowie Augenreizungen möglich.

Alle Lebensmittel, die in Deutschland verkauft werden, müssen sicher sein. Das gilt auch für Importprodukte. Die Anbieter der Lebensmittel sind für die Sicherheit verantwortlich.

Erst kürzlich wies das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf das Risiko einer ernsthaften gesundheitlichen Beeinträchtigung bei so scharfen Mutproben hin. "Besonders empfindlich reagieren Kinder auf scharfe Chili-Produkte. Es sind schwerwiegende Vergiftungen bei kleinen Kindern durch die Aufnahme von Chili-Zubereitungen in der internationalen Literatur beschrieben", erklärt das BfR.

Wie die Untersuchungen des Ministeriums ergaben, schwanken die Capsaicingehalte jedoch sehr stark. Somit ist nicht sicher, wie scharf der einzelne Chip wirklich ist.  Laut BfR muss damit gerechnet werden, dass Mengen aufgenommen werden, die eine Magenschleimhaut-schädigende Wirkung haben.

Aktuelle Entwicklungen: Nicht alle Bundesländer haben reagiert

Anfang Oktober 2023 ließ das hessische Verbraucherschutzministerium den "Hot Chip" im Landeslabor überprüfen. Auffällig seien stark schwankende und teilweise extrem hohe Capsaicinwerte gewesen.

Auch die baden-württembergischen Lebensmittelüberwachungsbehörden ließen das Produkt überprüfen und kamen zu den gleichen Ergebnissen.

Im November wurden dann einzelne Chargen des "Hot Chips" von verschiedenen Händlern zurückgerufen. Einzelne Bundesländer reagierten mit einem chargenunabhängigen Verkaufsverbot.

In Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Hessen wurde der "Hot Chip" chargenunabhängig aus dem Verkehr gezogen. In einer Pressemitteilung des hessischen Verbraucherschutzministeriums hieß es dazu: "Es wurde ein Erlass zum Verbot des Inverkehrbringens aller Chargen der Hot Chips an die zuständigen kommunalen Veterinärbehörden in Hessen versendet. […] Nach verschiedenen Gutachten wurde das Produkt […] als nicht sicher beurteilt."

Im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes wurde das Verkaufsverbot auf alle Chargen ausgeweitet. Aufgrund der stark schwankenden Capsaicinwerte ist davon auszugehen, dass es keine Charge gibt, die als sicher bewertet werden kann.

Derweil hat auch der Hersteller des "Hot Chip" reagiert und stoppt den Verkauf nach Deutschland. Man arbeite aber an einer neuen Rezeptur, die weniger Capsaicin enthalte und dadurch weniger gefährlich für Kinder und Jugendliche sei, so das Unternehmen.   

Dennoch befinden sich in den Bundesländern, die sich gegen ein Verkaufsverbot entschieden haben und in den Ländern, die  dazu noch nichts unternommen haben, weiterhin "Hot-Chip"-Produkte in den Läden. Und das, obwohl sie nach Untersuchungen als gesundheitsschädlich und nicht sicher eingestuft wurden.
 
Im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung können Betroffene das zurückgerufene Lebensmittel zusammen mit dem Kassenbon gegen ein einwandfreies Produkt umtauschen. Ist dies nicht möglich, können Sie Ihr Geld zurück verlangen.

Schärfe wird in Scoville angegeben

Der Schärfegrad von scharfen Produkten wird in der Einheit Scoville (Scoville Heat Units, SHU) angegeben. Über den Gesamtcapsaicingehalt lässt sich die Schärfe der Produkte analytisch bestimmen. Ein Milligramm Capsaicin pro Kilogramm entspricht dabei 16,1 Scoville.

Die angeblich schärfste Chilisorte der Welt soll die Carolina Reaper sein. Durchschnittlich kommt sie auf ca. 1.6 Millionen Scoville - das sind 99.400 Milligramm Capsaicin pro Kilogramm Schote: Ausreißer-Exemplare schafften es sogar auf 2,2 Millionen Scoville. Der "Hot Chip" enthält laut Herstellerangaben "einen hohen Anteil dieses Chilis". Im Vergleich dazu enthält Tabasco-Sauce beispielsweise 1.600 bis 5.000 Scoville und eine grüne Jalapeno-Chili (frisch) 2.500 bis 8.000 Scoville, also weitaus weniger.

Warnungen vor Risiken gibt es seit Jahren

Die "Hot-Chip-Challenge" kusiert bereits 2 Jahren in den sozialen Medien wie TikTok und Instagram. Auch Kinder und Jugendliche nehmen daran teil. Gegenstand des Wettbewerbs ist es, den "Hot Chip" zu essen, sich dabei zu filmen und das Video dann in den sozialen Medien zu teilen. Teilnehmende sind außerdem dazu aufgerufen, auch Freunde zur Teilnahme an der Challenge zu motivieren. Ganz nebenbei erwähnt: Der "Hot Chip" wird zu absurd hohen Preisen verkauft. Auf der Seite des Herstellers kostet der 3-Gramm-Chip stolze 9,90 Euro. Im stationären Handel wird er teilweise noch teurer angeboten.

Vergleichbare Mutproben gab es auch schon früher unter dem Stichwort "Chili-Challenge". Vor extrem scharfen Lebensmitteln und "Chili-Challenges" warnte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bereits im Jahr 2011. Anlass dafür war damals unter anderem ein Wettbewerb names "Fiery Foods Competitions".

Gesetzliche Altersfreigabe fehlt

Anders als bei Alkohol gibt es für extrem scharfe Produkte wie diese keine Altersfreigabe. Lediglich eine nicht rechtlich verbindliche Empfehlung des BfR sieht vor, Chili- und andere Würzsaucen sowie Produkte mit Gehalten von mehr als 100 Milligramm Capsaicin je Kilogramm Lebensmittel zum Schutz von Kindern und Jugendlichen mit Warnhinweisen zu kennzeichnen und mit Sicherheitsverschlüssen zu versehen.

Außerdem wird ab einem Capsaicingehalt von mehr als 6.000 Milligramm je Kilogramm empfohlen, im Einzelfall zu prüfen, ob das Lebensmittel überhaupt als sicher zu bewerten ist.

Tatsächlich zeigen die Untersuchungen des hessischen Verbraucherschutzministeriums, dass die Capsaicinwerte stark schwanken. Es wurden Gehalte von 4.000 – 19.750 Milligramm je Kilogramm festgestellt. Dies entspricht einem Scoville-Grad (SHU) von 64.000 – 316.000 SHU.

Das fordern die Verbraucherzentralen

Seit mehr als 10 Jahren weist das Bundesinstitut für Risikobewertung auf ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigungen hin, die durch den Verzehr von sehr scharfen Chiliprodukten auftreten können. Seit Oktober 2023 gibt es immer mehr Fälle, bei denen Kinder und Jugendliche "Hot Chips" gegessen haben, der Notarzt gerufen oder Betroffene ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Mittlerweile wurde das Produkt in einigen Bundesländern untersucht. Alle Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass der "Hot Chip" aufgrund stark schwankender, teils extrem hoher Capasicingehalte als gesundheitsschädlich einzustufen und demnach nicht sicher ist. Aber nur einzelne Bundesländer haben bisher mit einem Verkaufsverbot reagiert.

Wichtig wäre jedoch, dass im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes alle Bundesländer dafür sorgen, dass verbliebende Bestände des "Hot Chips" deutschlandweit aus den Regalen verschwinden. Es sollte alles unternommen werden, damit diese Produkte vor allem nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen. 

Denn gesundheitsgefährdende und nicht sichere Lebensmittel müssen unverzüglich vom Markt genommen werden.  Lebensmittel, die in Deutschland verkauft werden, müssen sicher sein. Das gilt auch für Importprodukte.

Dieser Inhalt wurde von der Gemeinschaftsredaktion in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Hessen für das Netzwerk der Verbraucherzentralen in Deutschland erstellt.

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